Ammoniumnitrat

Viele Erfindungen im Bereich ziviler Technik hatten größere Bedeutung für die Aufrechterhaltung der Systeme als rein militärische oder waffentechnische Innovationen. Als ein Beispiel für viele sei die Produktion von künstlichem Salpeter (Ammoniumnitrat) genannt.

Mit der Sperre der Seewege durch die Alliierten waren die Mittelmächte auch von der Versorgung mit chilenischem Salpeter (Ammoniumnitrat) abgeschnitten, der für die Erzeugung von Munition und als Dünger eine zentrale Rolle spielte. Das Ausbleiben dieser natürlichen Form des Salpeters, 1913 von Österreich-Ungarn im Umfang von 100.000 und vom Deutschen Reich im Umfang von 800.000 Tonnen importiert, hätte spätestens Anfang 1915 das Ende der Munitionsproduktion und damit der militärischen Aktivitäten bedeutet.

Dass es nicht dazu kam, lag an außerordentlichen Anstrengungen in der naturwissenschaftlichen Forschung, die zum einen die kurzfristige großtechnische Umsetzung des sogenannten Haber-Bosch-Verfahrens, seit 1910 als Patent beim Chemiekonzern BASF, ermöglichte, andererseits am Frank-Carro-Verfahren. Beide erlaubten es, aus Wasserstoff und (Luft-)Stickstoff Salpetersäure und über verschiedene Katalysatoren in weiteren Schritten Ammoniak zu erzeugen, das zu Ammoniumnitrat verarbeitet werden konnte.

Im Deutschen Reich wurde der Aufbau alternativer Produktionsverfahren im sogenannten „Salpeterversprechen“ geregelt: ein zwischen der Obersten Heeresleitung und dem Chemiker Carl Bosch für die BASF 1914 abgeschlossener Vertrag sollte den Rahmen zum schnellstmöglichen Ausbau von Großanlagen sicherstellen - der Staat garantierte dem Unternehmen die Abnahme der Erzeugnisse und gewährte insgesamt 35 Millionen Reichsmark Kredite. 1915 traten auch andere Chemieunternehmen dem Vertrag bei, es entstanden in der Folge Großanlagen in Ludwigshafen, Bitterfeld und Leuna. Die Produktionsanlagen blieben in privatem Besitz.

In der Österreichisch-Ungarischen Monarchie war die Ausgangslage ganz ähnlich: Nachdem das Ende der Reserven an natürlichem Chilesalpeter absehbar war, wurde unter großem Zeitdruck in Blumau eine „Kunstsalpetersäureanlage“ errichtet, die im September 1915 ihren Betrieb mit einer Kapazität von zunächst 4500 Tonnen pro Monat aufnahm. Die Produktion erfolgte allerdings nicht nach dem BASF-Verfahren, weil es zu Beginn der Planungen noch als nicht sicher genug angesehen wurde und Verhandlungen mit dem Erfinder Fritz Haber scheiterten; auch nicht nach dem in Belgien bereits großtechnisch angewandten sogenannten Ostwald-Verfahren, weil das Patent im Besitz eines englischen Unternehmens war, was hohe, nachträgliche Lizenzgebühren nach Kriegsende befürchten ließ, sondern nach dem Frank-Carro-Verfahren.

Innerhalb von sechs Monaten gelang es den Chemikern des Kriegsministeriums, mit einem Aufwand von 24 Millionen Kronen eine funktionsfähige Anlage zu planen und zu errichten.

Im August 1917 kam eine zweite Anlage bei der Munitionsfabrik Magyaróvár mit einem Ausstoß von 6750 Tonnen pro Monat hinzu, die den Bedarf bis Kriegsende decken konnte.

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