Flucht und Vertreibung

Bereits bei Beginn des Ersten Weltkriegs setzten sich große Flüchtlingsströme in Bewegung. Betroffen waren vor allem Frauen, Kinder und alte Menschen aus Galizien, der Bukowina, Istrien, Bosnien, Dalmatien, Kroatien und dem Trentino. Angaben des Ministeriums des Inneren zu Folge, das für das Flüchtlingswesen zuständig war, hatte man bis Ende 1915 rund 390.000 Flüchtlinge in Cisleithanien untergebracht. Sie fanden in Flüchtlingslagern und Privatquartieren Aufnahme. In den Lagern Cisleithaniens hielten sich zeitweise rund 150.000 Personen auf.

Die Menschen sollten getrennt nach konfessionellen, sozialen oder nationalen Gesichtspunkten einquartiert werden. In Anbetracht des ständig steigenden Bedarfs an Unterbringungsmöglichkeiten für die anwachsenden Flüchtlingsströme stellten mehrmalige Wechsel des Aufenthaltsortes keine Seltenheit dar.

Flüchtlingslager entstanden etwa im niederösterreichischen Gmünd, in Oberhollabrunn, Bruck an der Leitha, dem oberösterreichischen Braunau am Inn, Wolfsberg in Kärnten, Nikolsburg, Gaya oder Phorlitz in Mähren. Im Rahmen der Flüchtlingspolitik spielte bei der Unterbringung in den Gemeinden die Frage der „sozialen Verträglichkeit“ zur lokalen Bevölkerung eine wesentliche Rolle. Da die österreichisch-ungarischen Behörden „irredentistische“ oder „russophile“ Tendenzen und Aktionen befürchteten, wurden Flüchtlinge zudem in Gebiete abgeschoben, die weit von ihren Herkunftsorten entfernt lagen. Nicht selten standen sie gleichsam unter Generalverdacht und galten als „illoyal“. Darüber hinaus schlug ihnen in vielen Fällen die Ablehnung der einheimischen Bevölkerung entgegen, deren Hilfsbereitschaft in Bezug auf die Flüchtlinge angesichts sich allgemein verschlechtender Lebensbedingungen sank. Vom Engagement der Gemeinden und Privaten hing letztlich das Ausmaß der Fürsorge ab. Die staatliche Flüchtlingsvorsorge wurde erst 1917 gesetzlich geregelt.

Die Grenzen zwischen der Behandlung von Flüchtlingen und Internierten waren zum Teil fließend. Die Internierung von österreichisch-ungarischen Reichsangehörigen betraf im Ersten Weltkrieg insbesondere Serben, Ruthenen (Ukrainer) und Italiener. Ihre Deportation und Internierung war durch eine Reihe von Ausnahmeverfügungen möglich geworden.

Die k. k. Behörden internierten die „politischen Verdächtigen“ in eigens geschaffenen größeren Internierungslagern und -stationen wie Katzenau bei Linz in Oberösterreich oder Steinklamm in Niederösterreich. Ähnlich erging es Ruthenen, die in das Lager Thalerhof bei Graz kamen, oder Serben, für die Arad in Ungarn vorgesehen worden war. Daneben bestanden noch weitere kleinere Internierungslager und -stationen in Niederösterreich, der Steiermark, Bosnien und Ungarn. Die Zustände in den Lagern waren vor allem in der Anfangsphase beklagenswert. Alleine im Lager Thalerhof starben im ersten Kriegswinter rund 1500 Insassen in Folge von Erschöpfung, Krankheit und Misshandlung. Durch eine Reihe von Maßnahmen gelang es den zuständigen Behörden in den folgenden Jahren die Verhältnisse zu verbessern.

Zwischen 1915 und 1917 durchliefen schätzungsweise mindestens 12.000 italienischsprachige österreichische Staatsbürger die Internierungslager und -stationen. Von bis zu 30.000 Ruthenen ist die Rede, die in Thalerhof einquartiert worden waren. Abseits der Lagererfahrungen mussten viele Internierte auch Zwangsarbeit leisten.

Die Internierungspolitik Österreich-Ungarns wirkte sich noch nach 1918 negativ auf das Verhältnis zwischen verschiedenen Nationalitäten der Nachfolgestaaten aus. In Österreich selbst, d.h. vor allem in Wien, wurden jüdische Kriegsflüchtlinge aus Galizien und der Bukowina nach Kriegsende mit einem steigenden Antisemitismus konfrontiert.

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