Die Neutralitätserklärung Italiens im August 1914 kam gewiss nicht so überraschend, wie es die österreichische Propaganda weismachen wollte. Die Hoffnung, dass sich die „Interventionisten“ in Italien nicht durchsetzen können würden, erwies sich als trügerisch, nach Abschluss des Vertrages von London am 26. April 1915, mit welchem die Alliierten Italien umfangreiche territoriale Zuwächse auf Kosten Österreichs in Aussicht stellten, war der Kriegseintritt unvermeidlich geworden.
Nach dem Fall von Przemyśl im März 1915 - als während der Karpatenkämpfe ein russischer Einbruch nach Ungarn bevorzustehen schien - mochten die Ententemächte hoffen, dass ein italienischer Vorstoß in die österreichischen Kernlande zum Zusammenbrechen Österreich-Ungarns führen würde. Doch die Stimmung in Österreich-Ungarn hatte sich seit dem gelungenen Durchbruch bei Gorlice am 2. Mai 1915 wesentlich gehoben, und tatsächlich scheint die offizielle Propaganda erfolgreich darin gewesen zu sein, die Völker zum Kampf gegen das nun auch noch „treubrüchige“ Italien, den „welschen Erbfeind“, zu motivieren. Dabei betrieb das k.u.k. Armeeoberkommando die Ausweitung des Erfolges gegen Russland und stellte dem neuen Gegner nur die bisherigen Sicherungstruppen, verstärkt durch freiwillige Landesverteidiger – freiwillige Schützen sowie Vorarlberger und Tiroler Standschützen – und einige reguläre Verbände entgegen. Zu letzteren gehörten allerdings 5 Divisionen vom Balkan - davon eine im März 1915 neu formiert, die anderen aber kriegserprobte, seit Dezember 1914 ausgeruhte und aufgefüllte, gebirgskriegsgewohnte Verbände.
Am 23. Mai 1915 erklärte Italien den Krieg. Mit an Zahl weit unterlegenen Kräften stellten sich die Verteidiger am Isonzo dem Angriff, wobei der italienische Generalstab meinte, der für den Krieg durchaus nicht durchgängig begeisterten Öffentlichkeit am meisten durch einen möglichst bedächtigen, blutige Verluste vermeidenden „Vormarsch“ dienen zu können. Die Folge war, dass die italienische Armee 1915 in den ersten vier Isonzoschlachten (23. Juni - 7. Juli 1915; 18. Juli - 10. August 1915; 18. Oktober - 4. November 1915 und 10. November - 14. Dezember 1915) nur unwesentliche Geländegewinne erzielen konnte.
Die Taktik der Italiener, mit der man das zum Greifen nahe Triest bald in Besitz nehmen zu können geglaubt hatte, war zu sehr geprägt von allzu systematischem Vorgehen und einem dem modernen Krieg nicht angepassten Gebrauch der Kampfmittel, vor allem der Artillerie. So konnte es der zahlenmäßig unterlegenen Verteidigung – zum Teil tatsächlich ein „letztes Aufgebot“ - gelingen, dem neuen Gegner standzuhalten.
Schon von Beginn der Isonzokämpfe an enthüllte sich aber die Tücke des neuen Kriegsschauplatzes. Der oft nur von einer dünnen Erdschicht bedeckte Karstboden verlangte zur Anlegung von Stellungen fast übermenschliche Anstrengungen. Die Verteidiger deckten sich hinter zusammengetragenen Steinriegeln, doch diese vervielfachten die Wirkung der Artilleriegeschosse. Selbst Trinkwasser wurde zum wertvollen Kriegsbedarf.
In der Folge wurde die Isonzofront zum Schauplatz von Materialschlachten, deren Schrecken und Leid in keiner Weise hinter jenen der Westfront zurückbleiben sollten. Die Propaganda trug dazu bei, dass in elf verlust- aber letztlich erfolgreichen Verteidigungsschlachten unter Opferung von Leben und Gesundheit unzähliger Angehöriger aller Nationen der Monarchie ein Mythos entstand, der auch Teil des kollektiven Gedächtnisses der Zwischenkriegszeit blieb. Doch auch für die Italiener wurde schon 1915 „il carso“ zu einem Begriff, der alle Schrecken des Krieges repräsentierte.

Kommunion an der Front
Vorgehende Reserven in der Dobrdo-Schlacht
KA, BS Album 680 Nr. 11
Vorgehende Reserven in der Dobrdo-Schlacht
KA, BS Album 680 Nr. 11
Vorgehende Reserven in der Dobrdo-Schlacht, Italien 1915
Nach einer knappen Viertelstunde ist der Angriff restlos zurückgeschlagen; die wenigen feindlichen Überlebenden
fluten verfolgt von unserem MG-Feuer zurück. Eigene Artillerie verhindert vorzeitige Sammlungsversuche.
Die feindliche Artillerie nimmt ihr langsames Vernichtungsfeuer gegen unsere Linien wieder auf.
Die Verluste des Feindes sind ungeheuer. Einzelne der angreifenden Gruppen wurden nahezu gänzlich im
Flankenfeuer vernichtet. Die Handgranaten und Grabenwaffen hielten reiche Ernte. Vor unserer Front
liegen an einzelnen Punkten die todten Italiener in ganzen Haufen, dazwischen stöhnende Verwun
-dete, welche auch geborgen werden, aber zuerst kommen die Unserigen daran. Denn auch wir
haben schwere Verluste. Beklagen nicht wenige Todte und Verwundete. Soweit es das feindliche Feuer
zuläßt muß alles ehestens geordnet werden, Kompagnie- und Zugverbände müssen wieder hergestellt,
Verwundete abgeschoben, Munition verteilt, Deckungen hergerichtet u.s.w. Denn wenn nicht schon in der
Nacht, dann ganz sicher morgen früh geht der Tanz von Neuem an.
Der Himmel hatte sich eingetrübt und es begann gegen 6h nachm. zu regnen. Etwa gegen ½ 7h nachm.
verlasse ich die Stellung und beginne, die kleinen Feuerpausen und einzelne deckende Steinmulden
ausnützend, den Marsch zum Kdo. Der anfänglich wohltuend empfundene Regen wird immer ärger.
Um 7h abends bereits ist es ein Wolkenbruch gegen den es keinen Schutz gibt. In wenigen Minuten bin
ich vollkommen durchnäßt. Ich entschließe mich daher nicht direkt zum Kdo. Zurückzukehren, sondern
zunächst in einer Mühle nächst Sablici vor dem Unwetter Schutz zu suchen.
Im Innersten aufgewühlt von den eben vorbeigegangenen Tages-Ereignissen, müde und abgehetzt,
naß bis auf die Haut gelange ich in strömendem, ja sintflutartigem Regen endlich zur Thüre der
Mühle und – kann sie nicht öffnen! Die Thür ist offen, dreht sich in ihren Angeln, aber ein Hindernis,
wahrscheinlich ein vergessener Sack, gibt nur einen kleinen Spalt frei, durch den ich nicht hineinkann.
Ich versuche mehrere male, aber immer wieder taucht die Thür zurück. In der Dämmerung sehe ich
aber doch, da liegt kein Sack, ich sehe Teile von abgefetzten Uniformen, ein Todter? Ja nimmt
das Grauen heute gar kein Ende? Endlich gelingt es mir die Thüre soweit aufzudrücken, daß ich mich
hindurchzwängen kann, da wird mir ein derber Fluch entgegengeschleudert. Ich denke, diese alte,
zerschossene Mühle wird doch auch für mich ein Plätzchen bieten und ziehe meine Pistole, als ich gerade
noch rechtzeitig einen unserer Artilleriebeobachter der vordersten Linie erkenne, welcher die wenigen
Stunden seiner Ablöse hier verschlafen will. Der Fähnrich liegt buchstäblich im Wasser, das unten durch den Thürspalt
und von oben durch die Granatlöcher im Dache ungehindert eindringt. Sein nasser Mantel dient ihm als
Kopfkissen.
Die am Monte San Michele gefangenen Italiener beim Abtransport
KA, BS Album 335, Bild Nr. 16
Zusätzlicher Bedarf an Stacheldraht durch die k.u.k.5.Armee
KA, AOK Op.Nr. 12.271/1915