1915 Rowno - Ende des großen Feldzugs im Nordosten

Seit Anfang August 1915 hatten die beiden Generalstabschefs Conrad und Falkenhayn sowohl die Zielsetzung der Operationen gegen Russland als auch die Entflechtung der deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen besprochen. Es sollte eine deutsche Front nördlich und eine österreichisch-ungarische südlich des Pripjet entstehen, wobei Conrad vor allem die Befehlsverhältnisse entwirrt sehen wollte, um wieder Herr im eigenen Haus zu sein. 

Während im Norden die Heeresgruppe Mackensen noch auf Brest-Litowsk losmarschierte, wollte Conrad den noch in russischer Hand befindlichen Teil Ostgaliziens befreien. Damit war jene Operation geboren, die als „Schwarzgelbe Offensive“ die wiedergewonnene Handlungsfreiheit und Unabhängigkeit vom deutschen Partner unter Beweis stellen sollte. 

Auf der Landkarte betrachtet, schien Conrads Operationsplan bestechend einfach. Durch die jüngst erfolgten Frontverkürzungen konnte Conrad eine nicht unbeträchtliche Überzahl an Verbänden an den russischen Nordflügel entsenden, um diesen südlich der Ausläufer des Pripjet zu umfassen und dadurch die ganze Front zum Rückzug zu zwingen. Zielpunkt war die Festung Rowno, ein strategisch immens wichtiger Bahnknotenpunkt, womit man die einzige russische Rochadebahn in Nord-Süd-Richtung durch das Pripjetgebiet unterbrochen hätte. 

Doch die gegen Ende August begonnene Offensive krankte – aus Furcht, die Russen könnten sich dem kunstvollen Manöver durch Rückzug entziehen – an einem überhasteten Beginn und einer Gängelung der Verbandskommandanten an der Front, womit ein alter Fehler der Kommandotechnik in der k.u.k. Wehrmacht zu neuem Leben erwacht war. Befehle aus dem fernen Teschen, wo man die Geländeverhältnisse und Leistungsfähigkeit der Truppen nicht reell zu beurteilen vermochte, wurden von Kommandanten empfangen, denen der Endzweck der Befehle im Rahmen der Gesamtoperation häufig verborgen blieb. 

Dementsprechend zerflatterten die Operationen der einzelnen Verbände, im AOK verbreitete sich Verzweiflung, als die am Gängelband geführten Verbände in dem der Fortbewegung hinderlichen Gelände es vor Erschöpfung kaum je schafften, die russische Flanke zu gewinnen, sondern magisch angezogen wurden von den Verbänden des Gegners, die sie doch „werfen“ sollten, und diese frontal angriffen. Zwar konnte als erstes Ziel die Stadt Luck am Styr erobert werden, doch die Langwierigkeit der Operationen hatte Brussilows 8. Armee Gelegenheit gegeben, sich zum Gegenschlag zu formieren. Dieser traf die österreichisch-ungarischen Verbände derart wirkungsvoll, dass - und damit war ein Hauptzweck der Offensive verfehlt – Conrad die Deutschen zu Hilfe rufen musste. 

Zwar imponierte den russischen Heerführern das Anrücken deutscher Truppen mächtig, doch der Flankenstoß des deutschen Generals Linsingen und die Wiederaufnahme der Offensive durch die 4. Armee konnten bei der sich immer mehr aussprechenden Erschöpfung der Truppen nicht zur Eroberung Rownos führen. Die bis Mitte Oktober 1915 anhaltenden Versuche, doch noch bis Rowno vorzudringen, blieben auch mit deutscher Hilfe erfolglos, ebenso wie den k.u.k. Armeen die Eroberung Ostgaliziens versagt blieb. 

Das Prestige Conrads war durch den blamablen Ausgang des Feldzugs erschüttert und er selbst musste einsehen, dass sich die österreichisch-ungarischen Truppen nach dem siegreichen Feldzug des Sommers 1915 weniger konsolidiert als erschöpft und ausgelaugt präsentierten. Symptomatisch war, dass von etwa 230.000 Mann Verlusten, die der Feldzug von Rowno kostete, 100.000 in Gefangenschaft geraten sein dürften. 

Vordringende Honvéd an der Strypa

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Telegramm des k.u.k. Verbindungsoffiziers im deutschen Oberkommando Ost Hauptmann Moritz Fleischmann von Theißruck 18.12.1915

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