Mythos Gabriele D´Annunzio

Mythos Gabriele D'Annunzio

Der 1863 geborene Poet, Journalist, Kriegspropagandist und Hobbypilot Gabriele d'Annunzio hatte bereits im Juli 1915 Propagandaflüge nach Triest, Trient und Zara durchgeführt, wobei ihm zu Gute gekommen war, dass Italien mit der dreimotorigen Caproni Ca-1 bereits ab Kriegsbeginn über ein damals hochwertiges Langstreckenflugzeug verfügte. Ab Sommer 1916 widmete sich daher die Abteilung 5/L des k. u. k. Kriegsministeriums unter der Leitung von Hauptmann Alexander Löhr verstärkt durch die Aufstellung sogenannter „Abwehrstaffeln“ dem Luftschutz des Hinterlandes. Bis zum Sommer 1918 hatte Italien auch eines der schnellsten Bombenflugzeuge des Ersten Weltkriegs entwickelt, die Ansaldo S.V.A.-5. Dieses Flugzeug hatte die doppelte Reichweite des Caproni-Bombers (960 km.). Im Juli 1918 bereits gelang es italienischen Fliegern, Propagandaflugblätter über Agram und Laibach abzuwerfen. Nachweislich erwartete man zu diesem Zeitpunkt im Kriegsministerium ähnliche Aktionen über Wien, allerdings noch mit feindlichen Luftschiffen als Trägern. 

Unterdessen plante D'Annunzio bereits seit fast einem Jahr seinen Propagandaflug und hatte am 4.September 1917 mit einer Caproni-Maschine über 1000 km zurückgelegt - ein Beweis, dass die Distanz zu überwinden war. Im Juni 1918 entschied das italienischen Oberkommando, das Unternehmen auf den Abwurf von Flugblättern - deren deutscher Text vom damals bekannten Journalisten Hugo Jetti stammte, der italienische von D'Annunzio selbst  - zu beschränken, gemäß den Aussagen des später in Kriegsgefangenschaft geratenen Oberleutnants Giuseppe Sarti vor allem aus Angst vor Vergeltungsflügen gegen italienische Städte. Die im Februar 1918 in Brescia aufgestellte 87. Squadriglia "Serenissima“ schien für das Unternehmen am geeignetsten. Zunächst mussten die zuvor in der Piaveschlacht  eingesetzten Maschinen umgebaut werden - eine davon als Zweisitzer, damit D'Annunzio als Beobachter mitfliegen konnte. 

Am 9. August 1918 um 5 Uhr 30 starteten die elf Maschinen in Padua, allerdings kehrten drei davon noch vor Grado wegen Motordefekts um. Über der Front als feindliches Geschwader erkannt und heftig beschossen, ging es  weiter über Görz und Klagenfurt in den Raum Knittelfeld, wo Wolken den Sichtflug behinderten. Als sie bei Wiener Neustadt wieder Bodensicht erhielten, zwang ein weiterer Motorschaden den genannten Oberleutnant Sarti zur Notlandung. Die restlichen Maschinen der "Serenissima" erreichten Wien um 9 Uhr 20, kreisten zunächst über dem Stadtzentrum und Schloss Schönbrunn, warfen ihre Flugblätter ab und photographierten die feindliche Hauptstadt ausführlich (60 Aufnahmen, darunter der Stephansplatz, das Radetzky-Denkmal mit dem Kriegsministerium, Schönbrunn, im Vordergrund zu Boden flatternde Propagandaschiften).  

Völlig unbehelligt erfolgte der Rückflug über Laxenburg, Graz, Laibach und Triest. Die in Wien sofort eingeleitete Untersuchung ergab: Fünf Flugwachen im Raum Görz hatten das Überfliegen der Italiener beobachtet. Die Meldungen erreichten Bruck an der Mur und Wiener Neustadt kurz vor den Feindflugzeugen, blieben allerdings wegen konkurrierender Kompetenzen zwischen Morse- und Feldtelegraphenübertragung hängen. 

Die Abwehrbatterien um Wien konnten das Feuer nicht mehr eröffnen, da die Italiener nach Kurzem abdrehten. Beim Rückflug stiegen zwar die Jagdfliegerstaffel in Wiener Neustadt und Graz auf, fanden den viel schneller fliegenden Gegner jedoch nicht. Freilich reagierte das österreichisch-ungarische Armeeoberkommando nervös: Auf den Dächern von Regierungsgebäuden, Fabriken, Gasanlagen etc. sollten Maschinengewehre postiert werden. Am 1. Oktober 1918 gingen die Kompetenzen der Luftabwehr vom Kriegsministerium an den neu errichteten "Chef des Luftfahrwesens" (im Armeeoberkommando) über.

D´Annunzios Flug über Wien

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