Einleitung

Ein bekannter österreichischer Politologe nannte jüngst an bedeutenden weltgeschichtlichen Ereignissen des 20. Jahrhunderts an erster Stelle „Die Schüsse von Sarajevo, die den Mechanismus in Gang setzten, der die ‘Welt von gestern' zerstörte.“  

Das Attentat auf das österreichische Thronfolgerpaar am 28. Juni 1914 in der Hauptstadt Bosniens gilt gemeinhin als Auslöser für den Ersten Weltkrieg. Präziser: Die dramatischen Ereignisse von Sarajevo lösten in der europäischen Diplomatie die so genannte „Julikrise“ aus, die zur Kriegserklärung Österreich-Ungarns an das Königreich Serbien und damit zum Ausbruch des „Großen Krieges“ führte, einem unerwartet mehrjähriger Waffengang, der alles was bislang an Totalität der Kriegführung und massenvernichtenden Technologien da gewesen war, in den Schatten stellte. 

Bosnien und die Herzegowina, seit Jahrhunderten Teil des Osmanischen Reiches, waren 1878 von Österreicheich-Ungarn zunächst okkupiert, 1908 schließlich annektiert worden. Wegen dieses staatsrechtlich problematischen Aktes und der geographischen Nähe zum Königreich Serbien galt dieser neue Teil der Donaumonarchie als politisch höchst unsichere Region.  

Die panslawistische Bewegung, serbische Territorialansprüche auf dem Balkan sowie die beiden Balkankriege 1912/13 verschärften die Spannungen Serbiens und Russlands mit dem Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn.

Die Slawen, die den Großteil der Völker des Reiches ausmachten, fühlten sich generell in der von deutsch-österreichischen und magyarischen Entscheidungsträgern dominierten Doppelmonarchie unzureichend vertreten. 

Es lag eine gewisse Tragik darin, dass die Konfrontation des südslawischen Nationalismus mit dem Habsburgerreich ihren Höhepunkt in den Todesschüssen auf den österreichischen Thronfolger fand, der als Befürworter des „austroslawischen Trialismus“ für die Umgestaltung der Donaumonarchie vom Dualismus zu einem trialistischen System eintrat. Freilich stellte für extreme slawische Nationalisten der Trialismus im Verbande des verhassten multinationalen Staates keine akzeptable Lösung dar.

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