Kriegsgefangenschaft

Insgesamt gerieten geschätzte acht bis neun Millionen Soldaten zwischen 1914 und 1918 in Kriegsgefangenschaft. In Österreich-Ungarn befanden sich – die Angaben variieren – zwischen 1,8 und 2,3 Millionen russische, serbische, italienische, französische, britische, US-amerikanische, rumänische oder etwa montenegrinische Armeeangehörige. Auf die große Masse an Feindsoldaten war Österreich-Ungarn 1914 nicht vorbereitet. Der Donaumonarchie fehlten zunächst Verwaltungs- und Organisationsstrukturen, um Hunderttausende feindliche Armeeangehörige unterzubringen, zu versorgen und zu bewachen. Schon bis Jahresende 1914 hatte man rund 200.000 Kriegsgefangene zu „verwalten“.

Die k. u. k. Heeresverwaltung ließ noch Ende 1914 die ersten von insgesamt rund 50 großen Kriegsgefangenenlagern und Kriegsgefangenen-Gewerbelagern errichten. Konzipiert waren sie in der Regel für mindestens 10.000 Mann inkl. Notbelegung, manche sollten mehr als 40.000 Mann beherbergen. Sie nahmen aber zwischenzeitlich weit mehr Gefangene auf als es die hierfür vorhandenen Unterkünfte zuließen. Aufgrund mangelhafter sanitärer und hygienischer Ausstattung waren die Zustände in den Lagern in den ersten Kriegsmonaten katastrophal. Seuchen brachen aus.  An deren Folgen gingen mehrere Tausend Gefangene zu Grunde. Mit dem Abklingen der Epidemien im Frühjahr 1915 einher gingen eine Modernisierung der Lager wie auch Bemühungen zur „Professionalisierung“ des k. u. k. Gefangenenwesens.

Ab 1915 erlangte die Gefangenenarbeit immer größere Bedeutung. Kriegsgefangene wurden in mobile und stabile Kriegsgefangenen-Arbeiter-Partien eingeteilt und außerhalb der Lager eingesetzt. Man benötigte ihre Arbeitskraft im Straßen- und Bergbau, im Gewerbe und der (Rüstungs-)Industrie, bei Eisenbahnarbeiten in den verschiedenen Teilen des Reiches oder im Etappen- und Frontraum. Der Großteil der Gefangenen fand Verwendung in der Land- und Forstwirtschaft, wo sich zwischen der lokalen Bevölkerung und Gefangenen, die ab 1916 auch in kleinen Kontingenten oder einzeln an bäuerliche Betriebe abgegeben wurden, engere Kontakte entwickeln konnten.

In den Lagern blieben nur kriegsgefangene Offiziere, kranke und arbeitsunfähige Entente-Soldaten zurück. Kriegsgefangene Offiziere waren gemäß den Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung, die die Behandlung der Kriegsgefangenen normieren sollte, vom Arbeitsdienst ausgenommen. Vor allem sie versuchten den eintönigen Alltag hinter Stacheldraht mit verschiedenen Beschäftigungen (Theater, Musik, Bibliotheken, Unterricht, Sport, handwerkliche Betätigung) zu bewältigen.

Während die Behandlung und Lage der Gefangenen im Hinterland durch „Visitierung“ etwa von Delegationen der Schutzmächte einer gewissen Kontrolle unterworfen waren, galt dies in der Regel nicht für die im Etappen- und Frontraum zum Kavernenbau, zur Schneeräumung, zum Seilbahnbau oder als Lastenträger eingesetzten Gefangenen. Mit fortschreitendem Kriegsverlauf und angesichts einer sich zuspitzenden „Ernährungskrise“ verschlechterten sich die Arbeitsbedingungen. Die Gefangenen waren unternährt und entkräftet. Fluchtversuche mehrten sich, und auch die Disziplin unter den Gefangenen ließ merklich nach.

Die Revolutionen 1917 in Russland und die damit verbundenen grundlegenden politischen Veränderungen hinterließen auch ihre Spuren bei den Kriegsgefangenen in Österreich-Ungarn, die immer stärker nach Hause drängten. Ungeachtet des Friedensvertrages von Brest-Litowsk im März 1918 waren bis zum Zerfall der Habsburgermonarchie lediglich etwa 60.000 Russen in ihre Heimat entlassen worden. Die Heimkehr der zu Kriegsende noch auf ehemals habsburgischem Territorium befindlichen Feindsoldaten verlief in Anbetracht der tiefgreifenden Umwälzungen in den nunmehrigen Nachfolgestaaten der Monarchie und in anderen ehemals kriegführenden Ländern meist chaotisch.

Jene k. u. k. Kriegsgefangenenlager, die im Winter 1918 nicht in Form von Heimkehrlagern eine neue Verwendung fanden, wurden der Hauptanstalt für Sachdemobilisierung und dem deutschösterreichischen Materialverwertungsamt übergeben.

Die Zensur der Kriegsgefangenenkorrespondenz

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Tagebuch von Wolfgang Heller mit Zeichnungen: Blick vom Leuchtturm, Massenbaracke für türkische Offiziere

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Tagebuch eines russischen Gefangenen

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