Die eilige Krönung

Bereits am Vormittag nach dem Tod Franz Josephs erschien der ungarische Ministerpräsident Graf Stephan Tisza bei Kaiser Karl, um ihn zur raschen  Krönung zum König von Ungarn zu drängen. Zwar sah die ungarische Verfassung hierfür einen Spielraum von sechs Monaten vor, doch die angespannte Kriegslage – nicht zuletzt wohl auch das Wissen um die verhältnismäßig bessere Versorgungslage in den Ländern der Stpehanskrone - trieben auch Karl zur Eile an. Eine entsprechende Regierungserklärung konnte bereits am 27. November 1916 im ungarischen Abgeordnetenhaus verlesen werden.  

Tiszas Eile hatte indessen politische Gründe: Je schneller der König die ungarische Verfassung, also den Status quo des Ausgleichs von 1867 beschwor, desto früher schien auch der Dualismus auf weitere Jahrzehnte zementiert, während andererseits etwa slawische Volksgruppen Gelegenheit gehabt hätten, während des „Interregnums“ einen Trialismus im Sinne des ermordeten Franz Ferdinand oder andere föderalistische Modelle zu fordern.  

Trotz der Warnungen des neuen Kabinettschefs Graf Artur Polzer-Hoditz wurde als Krönungstermin noch der 30. Dezember 1916 festgelegt. Ungeachtet der ökonomischen, militärischen und politischen Gesamtsituation erfolgte die Krönung in anachronistisch anmutender Pracht: Am Morgen wurde das Herrscherpaar in einer Staatskarosse von acht Schimmeln in die Budapester Matthiaskirche gefahren. Nach Eröffnung der Zeremonie durch den Fürstprimas von Ungarn, Kardinal Johannes Csernoch, hatte Karl zu antworten: 

„Ich, Karl, nach Gottes Willen künftiger König der Ungarn, bekenne und verspreche vor Gott und seinen Engeln, hinfort zu sorgen für Gesetz, Gerechtigkeit und Frieden zum Wohle der Kirche Gottes und des mir anvertrauten Volkes.“  

Karl hatte nun nieder zu knien, wurde gesalbt und mit dem Schwert des heiligen Stephan gegürtet. Csernoch und Tisza setzten ihm die Krone – sie galt als Träger der Souveränität und somit als das eigentliche Staatsoberhaupt – auf. Ähnliches wiederholte sich bei Zita. Nach dem von Tisza angestimmten traditionellen „Es lebe der König“-Rufen bestieg der König vor der Kirche bei der Dreifaltigkeitssäule einen Schimmel, galoppierte auf den Krönungshügel (der aus Erde aus allen ungarischen Komitaten bestand), hieb, eine Verteidigung andeutend, in alle vier Himmelsrichtungen und beschwor „dass wir die Grenzen Ungarns und seiner angeschlossenen Länder nicht aufgeben werden noch irgend etwas, was zu diesen Ländern, unter welchem Titel immer, gehört. Wir werden ihre Gebiete nicht verkleinern, sondern so weit möglich vergrößern und ausdehnen.“ 

Zeitgenössische Photographien und Filmaufnahmen vermitteln die Begeisterung, die unter der anwesenden Bevölkerung geherrscht haben muss. Zur Rezeption der geschilderten Ereignisse in Wien, Prag oder Agram freilich liegen keinerlei bildliche Quellen vor. Auf alle Fälle waren sich bereits zahlreiche Zeitgenossen darüber einig, dass mit der Krönung von Budapest vielleicht die letzte realistische Chance einer Föderalisierung Zentraleuropas unter Habsburgs Führung verpasst worden war. 

An den Krönungsfeierlichkeiten nahmen auch 40 Militärakademiker mit der Fahne der Theresianischen Militärakademie teil. Im Jänner 1917 wurden sie angehalten, ihre Eindrücke in Erlebnisaufsätzen darzustellen -  33 davon sind erhalten geblieben.

Griechisch-katholische Geistlichkeit vor dem Krönungshügel

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Akademiebericht über die Krönungsfeier in Budapest am 30.12.1916 Beschreibung: Aufsatz eines Zöglings der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt

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Akademiebericht über die Krönungsfeier in Budapest am 30.12.1916 Beschreibung: Aufsatz eines Zöglings der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt

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