Das Wappen des Salo Weisselberger

Tiere als Metaphern für Länder, Personen und Ereignisse heranzuziehen war schon in der Antike verbreitet. Auch das Wappenwesen im Mittelalter und in der Neuzeit griff gerne auf Tiere als Symbolfiguren zurück. Im Ersten Weltkrieg inszenierte der Bürgermeister von Czernowitz (heute Tscherniwzi, Ukraine) Dr. Salo Weisselberger (1867-1931) sein Schicksal in Form einer Tiermetapher in seinem neuverliehenen Wappen. 

Dr. Salo Weisselberger war als Sohn einer angesehenen Bukowinaer jüdischen Gutsbesitzerfamilie in Dracynetz (heute Drachyntsi, Ukraine) geboren und erbte von seinem Vater eine Anzahl Großgüter. Nach Absolvierung des Studiums der Rechtswissenschaften an der Czernowitzer Universität trat er 1892 als Richter in den Staatsdienst ein und brachte es bis zum Oberlandesgerichtsrat. Durch das Vertrauen seiner Mitbürger in den Gemeinderat der Stadt Czernowitz berufen, wurde er 1907 zum 1. Vizebürgermeister gewählt und schied aus dem Staatsdienst aus. Von der jüdisch-nationalen Volkspartei wurde er 1911-1914 in den Landtag der Bukowina entsandt. 1913 wurde er einstimmig zum Bürgermeister von Czernowitz gewählt. Unter seiner Verwaltung nahm die Stadt eine dynamische Entwicklung. Im Ersten Weltkrieg war Czernowitz schon im dritten Kriegsmonat von den Russen besetzt worden. Obwohl er sich der Gefahren, die speziell ihm als patriotischem Bürgermeister mosaischen Glaubens drohten, bewusst war, blieb er in der Stadt und übergab sie ordnungsgemäß. Die Russen beließen ihn zwar zunächst in seinem Amt, setzten aber 14 Tage später einen Zivilgouverneur ein. Unmittelbar danach wurde Weisselberger aus seiner Wohnung nach Sibirien verschleppt, wo er 14 Monate als Geisel gefangen gehalten wurde. Erst ein mit Russland vereinbarter Gefangenenaustausch bereitete seinen Qualen ein Ende. Nach seiner Rückkehr im November 1915 widmete er sich bis zum Ende des Krieges der Flüchtlingsfürsorge. Kaiser Karl nahm dieses entbehrungsreiche Schicksal zum Anlass und erhob Dr. Salo Weisselberger am 4. September 1917 taxfrei in den Adelsstand. Das von ihm gewählte Wappen illustriert in metaphorischer Weise seine Leidensgeschichte: der russische Bär, der den Schlüssel der Stadt Czernowitz – symbolisch für ihn als Bürgermeister – über die Stadtmauer verschleppen will und von oben vom kaiserlichen Adler angegriffen und daran gehindert wird.

1920 kehrte Weisselberger nach Czernowitz zurück, das nach Auflösung der Österreichisch-Ungarischen Monarchie zu Rumänien gehörte (heute Ukraine). Dort wurde er von der Bevölkerung in den rumänischen Senat gewählt, wo er wiederholt Gelegenheit hatte, jüdische Interessen zu vertreten. 1931 verstarb Dr. Salo Weisselberger in einem Wiener Sanatorium. 

Erhebung in den Adelsstand mit Verleihung von Titel und Wappen für Salo Weisselberger

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