Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
23.08.1914
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
23.8.1914

Nachts. Abends hatte ich interessantes Gespräch mit Freytag-Loringhoven, ein ganz prächtiger Mensch, wie seine Schriften. Fleischgewordene Energie und Zuversicht. Als deren Beispiel der Ausspruch: Er freue sich, dass Belgien das Ultimatum nicht annahm; dadurch gewinne Deutschland weitere 10 Milliarden; während es sonst die Kriegsschäden hätte zahlen müssen! – Von den 8 französischen Korps sagt Freytag-Loringhoven, sie könnten nicht operieren und nicht fechten, wenn sie nicht länger standhielten. Die Hauptkräfte kämen natürlich noch. Das sagt auch Kageneck, der vom Vorgehen von 4 deutschen Armeen durch Belgien spricht. – Aus dem Gespräch Conrad mit Leopold Salvator ein charakteristischer Ausspruch: „Wir kämpfen hier, damit die Deutschen die Franzosen schlagen können.“ – XII meldet telefonisch, dass es Marschziel für 23. erst 24. erreichen könne. – Vergangenen Abend erging eine Instruktion an Kövess, die ihm befiehlt das Kommando des XII. Korps selbst zu führen, die 11. Division dürfe sich nicht isoliert schlagen. – Sehr schöne und kluge Disposition des 1. Armee Kommandos, die einen schwierigen Befehl formell befiehlt, dem Geist nach aber durchaus offensiv ist und den Gedanken eines stark umfassenden Vorgehen gegen den feindlichen, vom A.K. bei Uszedow vermuteten feindlichen westlichen Flügel klar und geistreich ausspricht. Ein Lichtpunkt unter allen bisherigen Befehlen. Waldstätten! – 1h früh kam Nachricht von Potiorek: 4. Korps meldet, dass 29. I.T.D. erneut von 2 serbischen Divisionen angegriffen; die beiden anderen Divisionen des Korps wurden alarmiert. – Früh wird gemeldet, dass Tersztyánsky sich von Peterwardein mitternachts nach Šabac  begeben hat; 29. gewinnt Raum. Nun kann sich noch alles wenden. Der Entschluss Tersztyánskys oder jenes Unterführers, der die Division abmarschieren ließ, entspricht jedenfalls einem kerngesunden soldatischen Empfinden – und ist, wenn er zum Sieg führt, des Theresienordens wert. Zweifellos dürfte dieser Entschluss auch auf Potiorek einen mächtigen Eindruck ausüben, schreitet der Angriff des 4. Korps vorwärts, so könnte vielleicht auch die 6. Armee ihr Heil in rücksichtslosem Vorwärtsdrängen suchen, zumal die von Plevelje herankommende 8. Gebirgsbrigade, die wohl sehr brav marschieren musste, den südlichen Flügel der Serben bedrohen könnte. – Andererseits ist jedoch zu gewärtigen, dass sich die Serben, die sich sehr entschluss- und manövrierfähig zeigten, erst nach Nachricht von dem neuen Übergang bei Šabac  alle verfügbaren Kräfte wenden u.s.w. dorthin dirigieren werden. – Nun die nächsten Stunden müssen darüber Klarheit bringen; für ein späteres Nachlesen sind aber diese Gedanken, die einer viele Hundert Kilometer entfernten Situation folgen möchten, nicht uninteressant. – Mittags kommt die Nachricht, dass der deutsche Befehlshaber General v. Prittwitz u. Gaffron und sein Stabschef enthoben wurden, weil die Schlacht nicht bis zum Einsatz aller Kräfte durchgekämpft wurde. Also auch bei den Deutschen stimmt nicht alles. Bei uns haben die Enthebungen beim Kommandant der 29. Division angefangen. Es stellt sich übrigens heraus, dass die Prager Landwehr Division bereits am 15. August zersprengt wurde. Davon war in der Meldung über die Lage damals nichts enthalten! – Nachmittag sehr gehobene Stimmung. Es geht gut. Besser als die Disposition vermuten ließ. Abends erfährt man, dass der linke Flügel der 1. Armee die Russen im Marsch traf und zurückwarf. Dabei viele Gefangene.

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