Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
10.09.1914
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
10.9.1914

1015 vm. bei XII.K.K. eingelangt.

                        Vorwurf des AOK hat sehr deprimierend gewirkt. Das Korps hat sich brillant geschlagen, hatte gestern wieder 7% blutige Verluste. Truppen wehren sich gegen das Eindublieren der Marschbrigade. Offiziersverluste enorm. Reserveoffiziere versagen zum Teil. – Gefangene vom VII., VIII., XII. und XXIV. – Kleiner Rückschlag im Wald mit dichtem Unterholz, wo sich der Russe hauptsächlich verschanzen kann. – VII. Korps machte 8.9. Angriff in Richtung Humienice, nach Südosten, statt nach Nordosten. Auch gestern Vormittag war das VII. Korps nicht vorzubringen; Fml. Henriquez meldete, wenn er in den Wald hineingehe, habe er keine Division mehr. –

Heute, 16.I.T.D. unterstützt III. im Angriff auf Bartatow; 11. Direktion südlich anschließend bis Nawarya. 35. Folgt hinter dem rechten Flügel der 11; hat eventuell Lücke zwischen 11. und 17. zu schließen und flankierend in Gefecht der 17. einzugreifen. 17. hat 3 Uhr früh mit Teil der 55. Einsiedel genommen, wobei zu bemerken ist, dass dieser Ort 4km südlich des Vorrückungsraumes des XII. Kps. liegt. – Dembianka wurde gestern abends von den Russen doppelt umfassend genommen, heute im Morgengrauen von uns wieder genommen. – Eingezeichnete Situation dürfte am südlichen Flügel überholt sein. – Situation für Einsatz der schweren Artillerie noch nicht reif. – Rumänische Regimenter raufen nicht so wie die anderen, haben sehr wenig Offiziere; sehr zahlreiche Mannschaft musste hinter der Front erschossen werden. – Man darf sich aber keinen Illusionen hingeben: wenn ein schwerer Rückschlag folgen sollte, gibt es kein Halten mehr. –

            Autos: Personenautos dringend; AK hat mit einem vom 2. AOK bekommenen Auto im ganzen nur mehr 3, davon 2 schon sehr an der Grenze der Leistungsfähigkeit. –

            Stand: Regimenter können im Durchschnitt 2 schwache Bataillone formieren.

            Schwere Artillerie:   2 – 15 cm Haubitzen in hohen Lafetten

                                               2 – 12 cm Kanonen

verwendungsbereit bei Lubien wk. 3 Batterien Dotationen (davon eine breite Batterie) vorhanden.

            12h15m auf Chaussee Gródek – Lemberg südlich des Kalkofen Oberkommando angetroffen. Exzellenz Gelb orientiert Chef über die Situation. Nördlich der Chaussee geht die 11. Brigade der 6. Division zum Angriff vor. – Auf dem Schlachtfeld bleiben wir bis 1h15m Nachmittag. Erzherzog beschenkt einige

 

Soldaten, auch wir teilen Zigaretten aus. – Am Rückweg sehen wir in Gródek am Hauptplatz 6 Gehenkte, darunter den Bürgermeister, die Verwundete verstümmelt

hatten. – Alles in allem: Die ganze Unternehmung auf das Schlachtfeld war eine Manöverspielerei. – Als wir nach Hause kommen (4 Uhr) finde ich die Meldung vor, dass die Serben nach Ungarn eingebrochen sind. Die Nachricht von der Zurückweisung dieses Saveüberganges war also falsch. Man glaubt noch an 1 – 2 Divisionen; ich sage, es ist die Hauptkraft. Ein ernstes geschichtliches Moment; wer hätte das noch vor Jahresfrist geahnt?! –

            Abends entwerfe ich ein Telegramm an den Deutschen Generalstab, das die Lage nochmals unumwunden klarlegt und dringend um Dirigierung der ersten freiwerdenden Kräfte auf den galizischen Kriegsschauplatz bittet. – Weiteres eine verbindliche Antwort an den ungarischen Ministerpräsident, der um eingehende Information des Ministeriums des Äußern über die militärische Situation bat. Hranilovic und Hohenlohe bedrängen mich schon wieder wegen der Dementis über die russischen Siegesnahrichten. Wie man es aber machen soll, weiß keiner, noch dazu sehen diese Leute nicht ein, dass jetzt – wo unangenehme Ereignisse ziemlich sicher bevorstehen – Schweigen Gold ist. – Abends hundemüde, gehe schon um 11 Uhr schlafen und lasse den Quatsch unserer Diplomaten und Attachés für morgen liegen.

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