Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
07.10.1914
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
7.10.1914

Früh, es regnet lustig weiter. Gleichwohl haben sich die Bewegungen unserer Armeen im Allgemeinen programmgemäß vollzogen. Über die Vorgänge nördlich der Weichsel und im Sanwinkel herrscht keine Klarheit. Die 4. Armee kam gestern ohne Kampf in der Vorrückung beiderseits der Bahn gegen Przeworsk mit ihrer Mitte bis Sedziszow; die 3. hatte nur bei Domoradz eine Kanonade, erreichte die Linie Brzozów-Strzyzów und will heute nur das IX. Korps in die Mitte vorziehen, bei den übrigen Teilen aber aufschließen und die Trains heranziehen; die 2. Armee gewann unter kleineren Gefechten die San Strecke Lisko-Sanok. In den Karpaten steht es besser; alle Sattel westlich des Wyszkower sind in unserem Besitz; auch Máramaros-Sziget wurde von unseren Truppen von mehreren Seiten angegriffen und genommen. Tisza kann nun beruhigter sein. Vor Przemyśl scheint der Feind weiter gewaltsame Anstrengungen zu machen; die gestrigen Angriffe wurden aber wieder blutig abgewiesen. –

            Ein abends eingelangtes Telegramm Fleischmanns spricht die Absicht der deutschen 9. Armee aus, die Weichsel bei Iwangorod, „beziehungsweise“ Warschau und südlich davon zu überschreiten, um in die Flanke der gegen uns in Galizien stehenden russischen Kräfte vorzugehen.

            Die Uhr scheint gut zu gehen. Die abends hier bekannt gewordenen 2 gestrigen französischen Pressecommuniqués, die das Vorbrechen starker deutscher Kräfte aus dem Raum Lille-Armentiéres-Tourcoiny ankündigen, sprachen auch von wechselvollen Vor- und Rückwärtsbewegungen und klingen – für französische Verhältnisse – sehr wenig zuversichtlich.

            Mittags teilte Oberst Wieden mit, er könne aus der Gruppe Rohr eine Brigade kombinieren. – Da Situation sich zu entspannen scheint, ergeht sofort Befehl zu deren Bereitstellung für Potiorek. Hoffentlich bringt das wieder ein bisschen Zug in die Ereignisse da unten. Nach meiner Schätzung kann diese Gesellschaft, die übrigens sehr gut ausgestattet werden soll und im Gebirge einexerziert ist, nach etwa 10-14 Tagen wirksam werden. –

            Nachts kommt – wie ich höre auf eine Anfrage vom Chef – eine Mitteilung von Stürgkh, dass die Lage am Njemen gut steht. Bei Suwalki schreitet der deutsche Angriff vorwärts.

            Aus einem Telegramm des Militär-Kommandos Munkács geht hervor, dass dieses nun der Militär Kanzlei täglich direkt berichten müsse: als ob wir den Kaiser nicht genug orientieren würden: bei uns sind wirklich schon zu viele Einflüsse tätig.

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