Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
10.10.1914
Wählen Sie aus:
Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
10.10.1914

Die Frühnachrichten sind abermals gut. Das IV. Korps hat nach 7 tägigen ständigen Angriffen gegen eine mit äußerster Zügigkeit verteidigte stark befestigte Stellung stets im Schnee am 9.10. Turka genommen und über 1000 Gefangene gemacht.

            Auf Przemyśl gestern kein Angriff mehr. Allgemein rückgängige Bewegung.

            Die Deutschen beabsichtigen bereits heute eine befestigte Stellung der Russen, etwa 40km von Warschau (Msczanow-Grojce-Góra Kalwarya) mit 5 I. und 1 KTD anzugreifen.

            Der Antransport unserer schweren Belagerungs-Artillerie gegen Iwangorod verzögert sich wegen einer Konfusion des Linien-Kommandanten Breslau, die die ganze Bahn verstopfte. –

            Als ich mit meinen Sachen, darunter ein recht optimistisches Pressecommuniqué und eine aufpulvernde Situationsmeldung an die Armeen, beim Rapport bin, überbringt Kundmann einen vom Chef gesandten Zettel „mit einem leitenden Gedanken“, der für das Konzept des Obersten verwertet werden soll. Conrad denkt also offenbar schon jetzt daran, Befehle für die Verfolgung herauszugeben; Metzger sagt aber, es habe noch Zeit; man müsse zumindest das Ergebnis des heutigen Tages abwarten. –

            Gegen 8 Uhr abends wird ein Befehl konzipiert, der im Wesen besagt, dass sich die heutigen Aktionen der 2., 3. und 4. Armee noch gar nicht überblicken lassen, gleichwohl aber Direktiven für das weitere Verhalten der Armeen schon jetzt gegeben werden müssen. Es handle sich darum, am 11. dem Gegner unmittelbar zu folgen, ihm möglichst viel Schaden (namentlich am Belagerungsmaterial) zuzufügen, die Sanübergänge in die Hand zu nehmen und neue Übergänge zu schaffen. – Von der 1. Armee ist bekannt, dass sie am 12. den San forcieren will; früher können die technischen Maßnahmen nicht beendet sein.

            Um 9h30m abends wird folgende im Wesentlichen aufgezeichnete Disposition mit dem Hughes Apparat an die Armeen ausgegeben.

            „Leitende Ideen für nächste Operationen“.

                  1. Armee und mit dieser Teile der deutschen 9. überschreiten den San und die Weichsel und dringen, linker Flügel entlang der Weichsel, gegen Norden vor, um an und östlich der Weichsel befindliche Kräfte anzugreifen und zu schlagen und dabei stark zu haltenden rechten Flügel.

                  4. Armee rückt aus der Linie Krzezów-Jaroslau nördlich der Bahn Jaroslau-Rawa Ruska gegen Raum Tomaszów-Rawaruska, mit einer starken Kolonne über Bilgoraj derart vor, dass sie entweder rechts der 1. Armee umfassend angreifen oder in östlicher Richtung vorgehen könne, wenn sie zu einem Schlag gegen Lemberg herangezogen werden müsste.

                3. Armee, welcher die 23. TID wieder unterstellt wird, rückt südlich der 4. Armee gegen die Linie Rawa Ruska-Janów vor, um mit der Hauptkraft nördlich der oberen Wereszyca Teiche auf Lemberg und nördlich vorzugehen. Südlichste Begrenzungslinie Rizankowice, Popowice, Balice, Westrand von Mosciska, Bonów – Jaworów, Janów.

                2. Armee rückt südlich der 3. auf Lemberg, mit der durch 32. ITD verstärkten Gruppe Tersztyánsky über Drohobycz vor, um von dort möglichst umfassend über den Raum Mikolajów einzugreifen. Die an den Karpatenübergängen befindlichen Kräfte ergreifen die Offensiven gegen den Dniester, um die südlich des D. befindlichen feindlichen Kräfte zu binden und die Verbindungen des Feindes zu unterbrechen. – Die über den Verecke-Beskid und Toronya Sattel Vorgehenden handeln dabei im engsten Einklang mit der Flügelgruppe der 2. Armee.

            Es ist von höchster Bedeutung, die Fühlung mit dem Feind zu halten, um seine Rückzugsrichtungen festzustellen. Dabei muss auch mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass der Feind, um seine schwere Artillerie gesichert abtransportieren zu können, nicht allzu ferne östlich von Przemyśl östlich der Lemberger Chaussée in vorbereiteter Aufstellung steht.

            In diesem Falle würde es Aufgabe der 2. und 3. Armee sein, ihn, ohne sich gegen seine Front zu stark zu engagieren, an seinen Flügeln umfassend anzugreifen.

---------- . -----------

                        Ich habe den Eindruck:

            1) Das ist Papier. Denn heute kann da oder dort eine Schlacht sein. Was zu machen ist, kann die heutige Nacht zeigen, oder der morgige Tag. Ich denke dabei an einen eventuellen Transport von starken Kräften in der Richtung Warschau.

            2) Unser Heer geht wieder auseinander. Das verfluchte Lemberg zieht uns an.

            3) Man vergisst ganz, was unsere Truppen in der vergangenen Woche gerannt sind. Energie: Gewiss, man soll sie betätigen, indem man je 1 Korps auf die große Straße über Jaworów, Grodek und Rudki setzt. Die mögen laufen; das Gros aber bremse man, wenigsten einen Moment. (Gedanke: Vorrückung Lublin-Cholm, oder direkte Unterstützung der Deutschen durch Abtransport per Bahn! Überhaupt Handlungsfreiheit!) – Die Disposition in 4 klein geschriebenen langen Seiten (mit Einschaltungen) dürfte in den Abendstunden entstanden sein – wohl auf Grund der schon erwähnten Aufzeichnungen des Chefs.

X
Tablet drehen