Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
28.10.1914
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
28.10.1914

815 vm. I hat Nächtigungsräume dispositionsgemäß ohne Störung durch den Feind erreicht, der im näheren Bereich nur mit schwachen Abteilungen folgt. G. erreicht ungestört Jedlinsk-Jedlanka-Gozd. Dort Anschluss an 41., 2. und 9. KTD Michalow-Wierzbnik östlich Posen. 5 Ilza, 1 Sgydlowiec; 29/10 AK Staszow. – I konstatierte gestern Vorrücken einer starken feindlichen Kolonne auf Tczow.

            Deutsche: 930 vorm. Westflügel bedroht; XI zur Verhinderung Umfassung über Strykow befohlen. GRK. hat Rückbewegung ungehindert, mit rechtem Flügel auf Jedlinsk angetreten. – In den nächsten Stunden dürften große Entschließungen ausgereift sein, Verhandlungen mit 1. Armee im Zuge. Da haben wir es wieder! Verhandlung statt einer Leitung!

            540 nm. Weitere Absichten: Im Anschluss an linken Flügel 1. Armee abschnittsweise Rückzug bis in Linie Andrejew-Wielun, hiebe durch Loslösung vom Feind Wiedergewinnung operativer Freiheit und Möglichkeit einer Umgruppierung für neuerliche Offensive. – Dieser Entschluss scheint Slameczka unannehmbar, weil er unsererseits Räumung blutig erkämpften Gebietes bedingt und Armee Möglichkeit zu erfolgreichen Schlag nimmt. – Hindenburg: Radikale Rückwärtsbewegung, wegen Wiedergewinnung operativer Freiheit. Schließlich wird erreicht, daß 9 Res.Korps als rückwärtigen Flankenstaffel für 1. Armee bis Checiny – Malogossez geht. –

            Heute ist ein sehr wichtiger und trauriger Tag. Abends geht ein Hilferuf an Moltke um Verstärkungen – aus Frankreich oder von der deutschen 8. Armee her, unter Hinweis auf die Gefährdung Berlins. Man erkennt, dass unsere Offensive zusammengebrochen ist. Wenn es in Frankreich nicht bald vorwärts geht – und das heutige deutsche Communiqué deutet nicht darauf hin! – bedeutet der heutige Tag vielleicht auch das Eingestehen der Inferiorität im Weltkriege. – Die Armeen werden über die Lage verständigt; an die 4. und 3. (mit deren „Eingraben“ das AOK einverstanden ist) ergeht Befehl zur Bereitstellung je einer ITD behufs Verschiebung in den nächsten Tagen. – Deutsche hoffen, auf den besseren Wegen in Polen, eventuell auch mit Bahnverschiebungen beweglicher und rascher Operationen durchführen zu können und durch die gänzliche Zerstörung aller Bahnen, Brücken u.s.w. ein weiteres Vordringen starker russischer Kräfte zu verhindern.

            28.10. 2. Armee 8 Uhr vorm.

XII: Nacht ruhig verlaufen; Gruppe Fox wird heute mit entbehrlichen Kräften und Lst.IR 4 gegen Terszow – Spas vorstoßen. Krautwald hat noch 27.10. Höhe Palczynskie mit 3 Bataillonen verstärkt, wodurch es gelang feindlichen Angriff abzuweisen; Gruppe war 27.10. Lawrow versammelt, wird heute mit allen Kräften konzentrisch angreifen. Von 4., 5. und 8. KTD Meldung, dass sie in behaupteter Stellung genächtigt haben. – 2 Lst.Brig. 27.10. Zukotyn (15km nordwestlich Turka) erreicht, greift heute Direktion Holowiecko in Gefecht ein. 38. im Angriff auf Höhen nächst Jasienica Zamkowa, Höhe Laniski und Bzeniec. Gros 31. im Angriff auf Isaje-Podzenom, speziell 6 Bataillone von Wolosianka gegen Podzenem. IR 69, 1 B/32 und 17. Lst.Brig. im Angriff auf Zwihoscka, 1 KTD an rechtem Flügel im Aufklärungsdienst gegen Stryj Tal.

            9 Uhr nm. Situationsmeldung (8 Uhr) Lage zwischen 3h und 4h nm. XII in der Front Artilleriefeuer und partielle russische Angriffe. – Angriff 35. auf Terszow-Spas erfolgt erst morgen. – Krautwald hat morgens an östlicher Höhe Palczynskie gestandenen Gegner zurückgeworfen. Hierauf gänzliche Beschießung feindlicher Stellung durch 8 Batterien, sodann seit 2h nm. anscheinend fließender Angriff gegen Hlowina, welcher abends bis in die Höhe von Lenina wk gelangt ist. – 5 KTD standen um 3h nm. versammelt am Sattel 2 km nö. Ploskie. Gruppe Wejmelka hatte um diese Zeit mit 1 Bataillon Ostende Babina, mit 2 Bataillonen Höhen südlich Wielow erreicht und in den Kampf eingegriffen. 8.K. mit 40 Lst.Brig. im Dnjestr Tal im Angriff auf den gegen Mlyny zurückgehenden Feind. 2 Lst.Brig. im Angriff von Holowiecko auf Tomen 671; - 38., welche Höhe Bzeniec noch 27.10. abends genommen hatte, im Angriff auf stark befestigte Höhe Laniski. – 31. mit linken Flügel gegen Höhe Podzenem. Gruppe Birkenhain hat feindlichen Gegenangriff aus Richtung Jasionka mas. zurückgeworfen. Ferner Sicherung und Unterstützung 55: 12 Lst.Br. geht Wysocko, rückt nach Skolc. K.K. 1 Lst.Br. (heute Sianki) rückt nach Rybnik. Husarenregiment Mochnak-Zawadka. Gruppe Melnitzky-Ustryki dl. noch nicht versammelt.

            3. Armee: Abendmeldung: Die 23. LITD wird aus der Gefechtsfront gezogen und hat sich nördlich Nizankowice zu sammeln. Stärke circa 3 Feuergewehre, 2 Esk., 8 Bt. Ablösung nur unter Heranziehung weiterer 5 Bataillone der Festungsbesatzung möglich.

            4. Armee. 11 Uhr nm.: IX erreicht Nordostende Tucepy-Mlyny-Adamowka Nordostende Ostrow, 182 am San. Korps meldet, dass es sich nur mehr die Kraft zutraue, Gegner bis an den San zurückzuwerfen.

            Pflanzer: 55. behauptet befohlene Ausgänge Skole, 131. wird zur Abwehr eines voraussichtlichen Feindangriffes von Brlechow her bereitgestellt. Gruppe Wygoda-Zakla Situation unverändert. –

            1. Armee: nm. 2. ITD + 35.Lst. hatten heute aus Raum Dluga wola östliche Flanke V. zu decken und dann in Direktion Olechow (südlich Sienno) zurückzugehen. Diese Gruppe scheint jetzt im Kampf zu stehen. Am Nordrand der Kamienna Unterführung bei Zemborzyn Feind eingegraben. – Bei Piotrawin Überschiffungen. Bei Dorotha Sulejow hat Gruppe Oberst Pfeifer (106 Lst.) heute früh 2 Angriffe abgewiesen. – 24. erreicht heute Raum Tarlow, 45 Gliniay-Bszozowa, Vortruppe an der Kamienna. V. hat nach den bis nun vorliegenden Meldungen ohne Kampf seinen Marsch durchgeführt, ist in Raum Grabowiec-Ilza-MH Mihalow-Tychow-Kryznowka dirigiert. (Reihenfolge der Divisionen Ost nach West: 37, 14, 33, KK Wachock). I noch am Marsch, Feind scheint dort nicht nachzudrängen. (Gelangt mit 5. nach Osiny-Mirow-Jagod, mit 46. nach Razow-Swierczek, mit 12 nach Jastrzab-Szydlowiec, dort KK, mit 45. Zdiechow, Zilomaki, Pawlow)

            7 Uhr nm. 29.10. wird Rückmarsch fortgesetzt; Korps nächtigen mit ihrer Sicherungstruppe zum 30.10. in Linie Bahn Bzin-Ostrowiec, Chaussee Ozarow gegen Annopol. Sollte G Res 29.10. bei Skrynno bleiben, so ist bei Sydlowiec strakes deutsches Detachement aller Waffen zu belassen. Am Nordrand der Waldzone Kamienna hinterlassene schwache Kräfte feindlicher Aufklärung zu unterbinden; Gegner Aufenthalt bereitet, K. = Übergang zu zerstören. –

            30.10. Rückkehr Korps in die Verteidigungslinie:

I: Abschnitt Kielce, Flügel womöglich auf dortiger Höhe bis zur Tiefe westlich Jeleniow;

V. bis inklusive Opatów;

X (+ 106 Lst.) von Linie Wawerkow Okolina bis an Weichsel.

            Zur hartnäckigen Verteidigung der z.B. dem V zugewiesenen Front Opatów – Jeleniow von 24km stehen daher in Summa 15.050 Mann, 31 Mg., 142 Geschütze zur Verfügung. –

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            Deutsche haben 28.10. dispositionsgemäß Räume ohne wesentlichen Kontakt mit Gegner erreicht. 29.10. soll Linie Nieklan-Konsk-Opoczno-Wolborz erreicht werden. – Fleischmann glaubt verschiedenen vorbereitenden Maßnahmen zu entnehmen, dasAbsicht besteht, Gros 9. Armee auf schlesische Linie überraschend ins Posen’sche zu werfen, um von dort etwa zwischen Warthe und Weichsel neuerdings in Polen vorzustoßen.

            Wichtige allgemeine Eindrücke des Tages: Die Stimmung ist merkwürdigerweise wieder zuversichtlicher. Man scheint viel von den Angriffen des IV. Korps und einiges auch von den erbetenen Verstärkungen zu erhoffen. Das Communiqué des französischen Generalstabes klingt aber leider (für die Franzosen) sehr zuversichtlich; man muss das deutsche abwarten. Bei unseren Communiqués über den nordöstlichen Kriegsschauplatz setze ich es durch, dass nun auch das Einvernehmen mit dem großen Generalstab gepflogen wird. – Eine sehr bedenkliche Depesche Bolfras‘ an Conrad sagt, Pflanzer möge sich seine Ziele nicht zu weit stecken, sondern vielmehr im Rahmen seiner ursprünglichen Aufgabe bleiben, da die Rumänen – allerdings nur nach privaten Nachrichten – wieder unverlässlich scheinen. – Abends geht ein Telegramm an den großen Generalstab ab, das vorschlägt, den russischen zum Hauptkriegsschauplatz zu machen, weil hier bei Einsatz von 30, in Frankreich doch zu entbehrenden Divisionen ein rascher Erfolg zu erzielen ist. Der Einsatz dieser Kräfte ist in unserem Raum nördlich Kielce gedacht. Würde diese Unterstützung unterbleiben, so müsste – wie das Telegramm im allgemeinen argumentiert – das österreichische Heer, dessen Situation nach dem Rückzug in Polen unhaltbar wird, den Rückzug an die Donaulinie antreten. – Die Idee an sich ist gewiss nicht schlecht, weil es hier eine Entscheidung eher als von Frankreich zu erhoffen ist. Ich zweifle aber daran, dass die Deutschen in Frankreich so viele Kräfte herausziehen und sich dann noch halten können.

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