Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
08.04.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
8.4.1915

8h früh. - Kless teilt mir ½ 11 Uhr Vormittag mit, dass in Lage keine Änderung eingetreten. Bei 2. Armee heftige Kämpfe, vorläufig ohne Aufgabe der Stellungen; Stand aber sehr schlecht, eine Division 1000, die andere 1200 Mann. - Vormittag Information bei Rohr und im Evidenzbüro: Lage seit meinem letzten Resümee unverändert. Militärische Maßnahmen gehen noch nicht über verstärkten Grenzschutz hinaus. 12 Uhr Besuch bei Pogatscher, der ziemlich erstaunt ist. Abends wieder bei Rohr, der mir mitteilt, dass er zu Bolfras gerufen wurde.

Abends berichte ich: Italien hat noch nicht auf unseren Vorschlag geantwortet; dieser wurde übrigens nicht in formeller Weise erneuert. Der italienische Minister des Äußern sagt, er müsse erst mit dem Ministerpräsidenten und mit den anderen maßgebenden Faktoren beraten. Man erwartet nun in den nächsten Tagen Antwort. Nur wenn diese längere Zeit ausbleiben sollte, würde man dies als Zeichen einer geringen Neigung zu Verhandlungen betrachten. Man konnte noch nicht darüber ins Klare kommen, ob Italien den Krieg will oder ihn vermeiden wird. Da die militärischen Maßnahmen in den Grenzbereichen keine Verschärfung der Lage erkennen lassen‚ hat es den Anschein, dass noch immer mächtige Einflüsse gegen den Krieg arbeiten; Einflüsse, die genug mächtig sind gegen die Machinationen der Entente, besonders Englands. (Letzteres entfesselt in den Zeitungen die Propaganda wegen Triest, unserer Küstenländer und der Unzulänglichkeit einer Abtretung des Trentino.) Es scheint, dass Italien nach wie vor die Entwickelung der militärischen Lage abwartet, den endgültigen Erfolg in den Schlachten in den Karpaten und in Frankreich. Wenigstens, um seine Ansprüche zu bemessen, blickt Italien auf die Karpaten, Rumänien auf Italien. Dies der wesentliche Eindruck über das was ich von Pogatscher im Ministerium des Äußern hörte. Die militärischen Maßnahmen gehen über den verstärkten Grenzschutz noch nicht hinaus. Die „Carabiniere für den ersten Angriff" befinden sich angeblich im Grenzbereich; dieser Maßnahme kommt jedoch augenblicklich kein beunruhigender Charakter zu. Die Truppentransporte an die Grenze dauern langsam an. Von der Grenze sind 10 Militärzüge abgegangen; Bestimmung unbekannt. - Schließlich füge ich nur für Kless bei, dass Rohr zu Bolfras gerufen wurde. letzterer machte "privat" Erwähnung von der Möglichkeit einer "kampflosen Räumung" der abzutretenden Gebiete. Die Feindseligkeiten sollten erst dann eröffnet werden, wenn der Feind sie beginnt, Rohr legte sofort die Unmöglichkeit dieses Vorganges dar und bereitet ein Memorandum über das Gespräch mit Bolfras vor.

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