Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
18.04.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
18.4.1915

8 Uhr früh. Finde bereits einen Befehl vor, um 10h eine Depesche des OOK. beim Hughes Apparat zu übernehmen. Vor 10h übergebe ich Spitzmüller die Erledigung des Monatsberichtes Rohr. Er scheint über die in Aussicht gestellten Kräfte recht befriedigt. - Um 10h justiert mir Kless ein Telegramm des Chefs, das ich dem Minister persönlich zu übergeben habe. - Conrad erachtet momentan Abmachungen mit dem Großen Hauptquartier über ein Vorgehen gegen Italien und Rumänien für bedenklich, weil dadurch die Mitwirkung Deutschlands an der im Gange befindlichen Operation in Frage gestellt werden könnte. Ein ernster Kampf gegen I. und R. komme selbst mit deutscher Hilfe nicht in Betracht, weil dieser nur sehr beschränkt sein könnte. Einwirkung auf Deutschland, dass es seine Aspiration auf erobertes Gebiet zurückstelle, erscheine berechtigt und auch geboten, aber nur auf diplomatischem Wege möglich; Conrad bittet um Bekanntgabe, ob dennoch sofortige Anbahnung militärischer Abmachungen als dringend betrachtet werden. Fahre nach Depeschierung (kann auch Dechiffrierung heißen) dieser Depesche und neuerlicher Rücksprache bei Spitzmüller wegen der Isonzoverteidigung ins Ministerium des Äußern. Pogatscher teilt mir vertraulich mit, dass der Minister des Äußern, was Tirol betrifft, in seinem jetzigen, vorgestern überreichten Angebot gleich auf die 1 blaue Linie, die das Fleimser Tal einschließt, zurückgegangen sei. Er hielt ungeachtet aller geltend gemachten Argumente, die für eine Reservierung des Fleimstales sprechen, nicht für angezeigt, unserem letzten Vorschlag zu folgen. Und zwar hauptsächlich wegen der beträchtlichen Zahl von Reichsitalienern, die dann eine neue Irredenta schaffen würden; aber auch, weil ihm die Differenz zwischen dem ersten Angebot und unserem neuen Alternativ Vorschlage zu gering schien. - Auf diesem neuen Angebot soll nun fest beharrt werden. Die "Ostgrenze", Triest und die Inselfrage wurde tatsächlich überhaupt nicht berührt.

Berichte Nachmittag 2 Uhr an OOK über Eröffnung Buriáns und Angebot an Italien, abends über militärische Situation im Grenzgebiet. Durch die Einberufung der letzten Zeit dürfte der Stand der italienischen Armee in diesem Monat auf etwa 8 – 900.000 Mann steigen. Truppentransport dauert langsam an; bisher in den 3 Grenzkorps berechnet 90 Bataillone, davon fast die Hälfte Mobilmiliz, über den normalen Stand. -

Nachtrag: Vom Minister des Äußern um ½ 1 Uhr empfangen, zum ersten Mal. Er liest Conrads Telegramm zuerst hastig und dann noch einmal genauer durch und scheint darüber fast ungehalten. Gleich eingangs erwähnt er, die Depesche an den Fürst Burián sei doch sehr deutlich gewesen, jedes Wort überlegt. Man müsse nur genau lesen. Dann spricht er die Zuversicht aus, dass es ihm gelingen werde, über den von den beiden Generalstäben geforderten Zeitpunkt durch Verhandlungen hinwegzukommen; es sei aber nicht unmöglich, dass Italien den Krieg wolle und daher eventuell ohne Kriegserklärung zum Angriff schreite. Über diesen, wenn auch unwahrscheinlichen Fall, müsse aber „gesprochen" werden; der Minister denke dabei nicht an Abmachungen, die unsere Vereinbarung über die jetzt beginnende Operation stören würde; er halte es aber für notwendig, auf alles gefasst zu sein. Mit der im Briefe an Burián erwähnten Zurückstellung deutscher Aspirationen auf erobertes Gebiet sei nur gemeint gewesen, dass sie in jenem äußersten Falle, möglicherweise eine Verkürzung der Fronten da oder dort notwendig erweisen könne. Schließlich erwähnte auch der Minister, dass er in seinem Angebot auf die blaue Linie zurückgegangen sei, also auch das Fleimsertal zedieren wolle.

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