Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
01.05.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
1.5.1915

Vormittag: Aus den Nachrichten des Evidenzbüros ersehe ich, dass sich die Vereinigung des Expeditionskorps in den Marche zu bestätigen scheint; in diesem sind verschiedene Verschiebungen von Truppen näher an unserer Grenze, speziell am Cadore, gemeldet. Spitzmüller erzählt mir, er habe erfahren, dass unsere Regierung dem Komitee für die neue Kriegsanleihe eine Erklärung abgab: Lage im Osten und Westen günstig; weitere Besserung binnen kurzem zu erwarten. - Einfluss auf die Neutralen sei nicht ausgeblieben. Mittags besuche ich Pogatscher; erörtere ihm die neuen militärischen Nachrichten; er teilt mir dafür mit: In unserem Ministerium des Äußern betrachte man die Lage als unverändert. Die italienische Antwort werde für die ersten Tage der nächsten Woche erwartet. Abreise Goluchowskis, oder zumindestens ihr Zeitpunkt noch nicht festgestellt. In Berlin beurteilt man die Lage nach wie vor sehr ernst. - Gegen 2 Uhr werde ich für 4 Uhr nochmals zu Pogatscher gebeten. - Um 2 Uhr erstatte ich Meldung. - Nachmittagssitzung betrifft neue Variante über die küstenländische Grenze.

Burián ist also noch immer optimistisch und hofft, die Verhandlungen weiter hinausziehen zu können. Um 4 Uhr, vor der Pogatscher Sitzung, übergebe ich ein um 3 Uhr erhaltenes chiffriertes Telegramm Conrads über die Aufforderung an Bulgarien zur Mitwirkung gegen Serbien. Conrad sagt, dass für die ihm notwendig und dringend erscheinende Aufforderung als Zeitpunkt des Offensivbeginnes voraussichtlich erst der Monat Juni in Betracht komme. Momentan sehe er den Hauptwert solcher Aufforderung weniger in militärischer Vereinbarung als in der Betonung unserer Solidarität mit Deutschland. Abends 8 Uhr Meldung über die Sitzung und die Eindrücke des Tages.

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