Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
05.05.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
5.5.1915

Kless sagt mir: Chef fand sich, da er alles nur zu seiner persönlichen und vertraulichen Orientierung erfuhr, nicht bewogen, etwas zu verfügen.

11 Uhr. Orientierung durch Hoyos. Telegrafiere sie sofort an Chef.

12 Uhr Rohr. Bolfras sagte ihm, es bestehe ein Widerspruch zwischen dem alleruntertänigsten Vortrag wegen der vollen Kriegsausrüstung und dem Telegramm des Chefs, dass der Krieg um jeden Preis zu vermeiden, die Neutralität Italiens zu erkaufen sei. -

1230 Bolfras: Erzähle ihm den ganzen Hergang seit der gestrigen Depesche des Chefs an Burián und kläre ihn über den scheinbaren Widerspruch, der ein Zufall ist, auf. Burián sagt: Die Depesche des AOK, die die volle Kriegsausrüstung forderte, langte um Mitternacht in der Militärkanzlei ein; Burián referierte Seiner Majestät um 8 Uhr früh. Seine Majestät zeigte ihm jedoch diplomatische Aktemstücke, die erkennen ließen, dass zwar die Verhandlungen abgebrochen, für den Minister des Äußern aber immer noch nicht alle Wege verlegt seien. Aus diesem Grunde wurde die Resolution, die bereits die Anordnung der Kriegsausrüstung anbefohlen hatte, zurückgehalten. Seine Majestät gewärtigt weiteren Vortrag des Ministers des Äußern, es dürfte sich heute entscheiden, ob noch ein Ausweg zu finden ist. In der Militärkanzlei werde ich zur Chiffren zurückgerufen und übernehme hier die Depesche, dass sich Chef mit einer derartigen Orientierung nicht begnügen kann; mit dem bloßen Abwarten der Kriegserklärung Italiens müssten selbst die bescheidensten „militärischen Maßnahmen" verspätet kommen. Ersucht daher um kontinuierliche eingehende Orientierung über die Situation. - Fahre nun ins Ministerium des Äußern, nachdem ich mit Spitzmüller gesprochen habe, der von Forgách die Ermächtigung erhielt, zu erklären, dass die Verstärkungen rollen können. Um 210 nm. im Ministerium des Äußern niemand mehr anwesend. Spreche telefonisch mit Hoyos. Dieser sagt mir: Ein Telegramm aus Rom lasse noch schwache Hoffnung, dass weiter geredet werden könne, (siehe meine Meldung) und bittet mich auf 330 zu ihm. Eingehendere Orientierung dürfte erst nach dem heutigen gemeinsamen Ministerrat möglich sein.

330 bei Hoyos; übergebe ihm das Telegramm des Chefs. Er orientiert mich, wie in meiner Meldung ersichtlich (420nm). 5hnm. teilt mir Hoyos mit, der Minister lässt dem Chef sagen, dass eine neue Entspannung eingetreten sei, die darin besteht, dass nicht nur voraussichtlich, sondern tatsächlich weiter verhandelt werde. 6hnm. orientiere ich über die Transportverhältnisse für die eventuellen Verstärkungen. Von ½ 7 - ½ 8 eine Stunde zu Hause. 8h teilt mir Kreneis mit, dass der erste Transport nach Pola 7.5. mittags, der letzte 8.5. 10h vm. eintreffen wird. -

830 werde ich von 2 Seiten gerufen; Ministerium des Äußern und Oberkommando; letzteres gibt mir eine Chiffre Depesche, die ich „womöglich" noch dem Ministerrat übergeben soll. - Hoyos sagt mir, er wird den Minister erst gegen 10h sehen. Ich mache aus, dass ich nach Dechiffrierung der Depesche zu ihm kommen und dann eventuell in die Bankgasse fahren werde. Das Telegramm ist bis 10 Uhr dechiffriert und reingeschrieben. Schön ist es nicht. Conrad verklagt Burián bei Bolfras, dass er unsere militärischen Machtmittel überschätze und sagt Burián nochmals, der Krieg gegen Italien müsse vermieden werden. - Fahre zuerst Ballplatz, höre dort, Burián wird mich in Bankgasse bis 11 Uhr erwarten. Er ist aber nicht dort, sondern soupiert mit Tisza bei Sacher; fahre daher in Militärkanzlei, wo ich das Telegramm für Bolfras 1015nm. an Vogt übergebe. Dann zurück in Bankgasse. Längeres Gespräch mit Mérey, der gleichfalls auf Burián wartet. Ich habe den Eindruck, dass auch er den Krieg für unvermeidlich hält. Burián kommt 1115, liest das Telegramm, sagt bei der Stelle, die vom Ausbleiben einer Antwort Falkenhayns spricht, „ja ich habe auch keine Antwort", und teilt mir dann mit, was in meiner Meldung 1215 vm. enthalten ist. Tag war recht hitzig; komme erst gegen 1h nach Hause.

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