Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
08.05.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
8.5.1915

Früh: Metzger orientiert mich über die beabsichtigte Verteidigung im Südwesten und über die Kommandoverhältnisse. Es ist also beabsichtigt, nach Tirol eine kombinierte Division, nach Kärnten eine kombinierte Brigade zu geben; als Deckungstruppe an die Isonzofront die 2 im Südosten verfügbaren Gebirgsbrigaden. Weiterhin sollen stärkere Kräfte bei Klagenfurt und Laibach im Verhältnis 1/4: 3/4 versammelt werden, darunter natürlich auch deutsche Truppen. (Kless sprach gestern von im ganzen 11 Divisionen, Metzger hofft aber, dass man 20 Divisionen versammeln kann, um einen Schlag gegen den italienischen Ostflügel zu führen). Die bisherigen Balkan Streitkräfte und jene im Südwesten sollen weiterhin unter ein einheitliches Oberkommando, Erzherzog Eugen gestellt werden, für die Balkan Streitkräfte ein neuer Armeekommandant bestimmt werden. Tirol würde eine Gruppe bilden; die Kärntner Gruppe dürfte Rohr erhalten; eine 3. Gruppe, vielleicht unterm jetzigen 1. AK. ergebe sich bei Laibach. - Die gegen Rumänien zu verwendenden Kräfte unterstünden vorerst wahrscheinlich dem OK. Nord. -

1115 Meldung bei Conrad. Über die politische Lage teilt er mir persönlich mit: Italien habe mit der Entente abgeschlossen - am 26. April, und zwar für einen Monat. Der Kaufpreis ist Südtirol, Istrien mit Triest, Dalmatien; dann gewisse Konzessionen in Tripolis, Karawanenwege, Solum mit Hinterland. Da die Erfüllung dieses Vertrages auf den 26. fällt, dürften die Tage vom 20. - 26. die kritischsten werden. Chef steht natürlich noch immer auf dem Standpunkt, einen Krieg wenn irgend möglich zu vermeiden und daher alles abzutreten; allerdings teilt er meine Bedenken, dass Italien nach der ersten auch die zweite Schufterei begehen könnte und unsere befestigten Gebiete nur verlustlos besetzen möchte, um dann weiter gegen uns vorzugehen. Aus diesem Grunde legte Chef auf die Verzögerungstaktik vom Anfang an das größte Gewicht und hält an dieser Taktik auch jetzt noch fest; im Gegensatz zu den Deutschen, die schon im August für eine Abtretung Südtirols waren. - Frage auch, wie die Sache mit der Dreibundkündigung stehe. Chef sagt mir, der Dreibund sei nicht gekündigt worden; Italien beschuldige uns vielmehr, den Vertrag durch unser Vorgehen gegen Serbien gebrochen zu haben. Wurde also in diesem Punkt vom Ministerium des Äußern falsch informiert: Weiters sprachen wir über die Frage eines Separatfriedens mit einer der Ententemächte. Chef sagt, Deutschland habe bei allen drei Mächten durch eine sehr berufene und geschickte Persönlichkeit sondieren lassen, die Mächte halten jedoch sehr fest zusammen, sodass weitere Versuche, einen Separatfrieden herbeizuführen, aussichtslos erscheinen. Über die Verpflichtungen, die Italien der Entente gegenüber eingehen will oder eingegangen ist, weiß man nichts. Dies ist eben die Schwierigkeit der Situation; man kann noch nicht sagen, dass der Krieg unbedingt kommen müsse. Chef stimmt meiner Bemerkung, dass die Logik entschieden dafür spreche, uns den Krieg à outrance zu machen, bei, meint aber, wie bei privaten Dingen, seien die Entschlüsse auch in der Politik nicht nur von der Logik, nicht nur vom Kopf, sondern auch vom Herzen beeinflusst. Und dies sei eben die Frage ob Italien das Herz aufbringe! Weiters bringe ich die Frage des Mitgehens Rumäniens zur Sprache. Die Diplomaten sind überzeugt, dass zwischen Italien und Rumänien kein geschriebener Vertrag besteht, glauben aber an sehr weitgehende mündliche Abmachungen. Ich frage auch, wie man darüber denkt, was Rumänien tun wird, wenn wir Italien voll befriedigen und damit dessen Neutralität erkaufen. Chef glaubt, in diesem Falle wird Rumänien die Courage zum Losgehen gegen uns fehlen. - Endlich erwähne ich das gestern aufgetauchte Projekt einer Cession Cattaros statt den dalmatinischen Inseln. Im ersten Moment ist Chef über diese Idee entsetzt; bei näherer Beleuchtung jedoch gibt er zu, dass die Sache erwägenswert sei und beauftragt mich, in diesem Punkt das Gutachten von Haus einzuholen.

Teile noch das Wesentlichste Kless mit. Metzger sagt, unter den jetzigen Verhältnissen werde eine gewisse Stärkung im Südwesten vielleicht nicht schlecht sein. Kann nur beistimmen. Auch Kless versprach mir, das Möglichste für allmählichen Zuschub von Truppen zu tun.

Abfahrt ½ 9 nach Wien. An 9 Uhr.

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