Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
28.05.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
28.5.1915

Auf dem Kriegsschauplatz keine wesentlichen Ereignisse gemeldet. Mittags resümiere ich etwa, dass die Italiener den Zeitpunkt für raschen Erfolg versäumt haben, da sie in Kärnten auf 50, im Küstenland auf 70 Bataillone treffen werden. – Abends ein schwerer Kampf. Das Kommando der Südwest Front meldet, 2 Befehle (Verbreitung falscher Nachrichten und Verpflegung im Südwesten) lassen vermuten, dass beim AOK. bereits bestimmte Ansichten für künftige Operationen bestehen. Die nächste Aufgabe sei wohl klar gegeben, Lösung könne aber verschieden erfolgen. Um im Sinne des AOK. handeln und richtige Vorbereitungen für eventuelle künftige Operationen treffen zu können, „erbittet das Kommando Orientierung im großen über Absichten des AOK für nächste Zeit, diese würde ausschließlich zu meiner und meines Generalstabschefs Orientierung dienen." Daraufhin entwerfe ich einen kühl ablehnenden Brief, der auf die eingestandenermaßen klare Aufgabe verweist und deutlich hervorhebt, dass eine Verstärkung der Südwestfront in absehbarer Zeit nicht in Aussicht genommen ist. Chef liest das gegen 8 Uhr abends, entwirft auf einem Zettel ein Programm für die Operationen unten. Metzger nimmt es mit Weglassung der Namen als 1. Absatz auf. Es enthält gleich als ersten Satz, das AOK habe die Absicht Tirol auf das Äußerste zu verteidigen. Ich ringe etwas ab, dass eingeschaltet wird „mit verfügbaren Kräften", denn sonst verschiebt das Kommando Südwest noch Truppen dorthin! Das Andere bleibt. Es ist teils nichtssagende Phrase (die aber einem Advokaten immer Gelegenheit zur Widersetzung bietet), teils enthält es wieder den gewissen „Schlag", wenn auch in unbestimmter Form. Ich bitte, ich beschwor, man möge diesen Absatz streichen; es geschieht nicht, ich werde schließlich damit abgefertigt, man müsse auch ein guter Soldat sein können, worauf ich nur die Antwort habe, das bin ich, und das Telegramm chiffriert hinausgebe. Ich bin aber doch kein guter Soldat, weil ich meinem heiligen Zorn Luft mache und den Leuten eine applikatorische Vorlesung über Strategie und Befehlsgebung halte. - Christophori glaubt daran, dass wir den Italienern in einem Monat diesen Schlag versetzen können! - Überhaupt das Denken ist nicht Sache unseres Generalstabes! - Das Telegramm lautete in meiner Fassung: „Entscheidung bei Przemysl reift zwar heran, Verstärkung der Südwest Front ist jedoch für absehbare Zeit nicht in Aussicht genommen. Durch befohlenes verteidigungsweises Verfahren soll Zeit gewonnen, Feind geschwächt und größerer Raumverlust möglichst vermieden werden. Lösung dieser nächsten Aufgabe bleibt dem Kommando der Südwest Front gänzlich überlassen. AOK muss aber über dortige Pläne und deren Durchführung ununterbrochen orientiert sein, da nur aus der Entwickelung der Ereignisse zur richtigen Zeit, gegebenenfalls im Einvernehmen mit der verbündeten Heeresleitung, angemessene Entschlüsse geschöpft werden können." - Der Zwischensatz besagt: (als Einleitung!) Allgemeine Absicht des AOK ist: Tirol aber (Einschaltung auf mein Drängen) mit den dort befindlichen Kräften zu verteidigen, dem über Kärnten, Küstenland, Krain hereinbrechenden Feind unter möglichst geringen eigenen Gebietsverlusten das Vordringen zu verwehren und in späterer Folge zu trachten, ihm einen möglichst ausgiebigen Schlag zu versetzen, was aber jetzt nicht näher bestimmbar ist und davon abhängt, wann, wo und wie viele eigene Kräfte hiefür verfügbar gemacht werden." (Ich halte das für Quatsch und gefährlich, immer wieder dieser Schlag!)

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