Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
12.07.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
12.7.1915

In der Nacht zwischen 12 und 1 Uhr gebe ich als Inspektionsoffizier den Befehl für die bisher größte Operation im Weltkrieg. - Also wohl vielleicht die größte überhaupt dagewesene Operation. Die in Pless vereinbarte Fassung zeigt gegenüber der ursprünglichen einige Änderungen, die ein Kompromiss zu der hiesigen Anschauung und der deutschen bilden, welch letztere offenbar einer defensiven Sicherung der Flanke der Angriffsgruppe Mackensen zuneigte. Und dies sehr mit Recht, da ein weiterer Raumgewinn in Ostgalizien gegen Osten hin gar keinen Zweck hätte, wohl aber die Front noch verdünnen und verlängern würde. - Die 1. Armee wird für die Operation dem Generalfeldmarschall von Mackensen unterstellt. In ihren Verband tritt das XLI. Korps. Sie „begleitet den Angriff in der östlichen Flanke durch Vorstöße über den Bug in den Raum bei Wladimir Wolynskij mit mindestens 4 I. und 3 KTD und deckt mit dem Rest die Bugstrecke aufwärts bis Dab.“. –

 

Die 2. Armee deckt diese Offensive im Raum von Dab bis Ciemieszynce; die Süd-Armee von da bis Krasiejów.

Die 7. Armee greift östlich der Strypa in Richtung Buczacz - Czortków an. Starke Kavallerie östlich des Sereth.

2. und Süd-Armee halten sich bereit, zum Angriff überzugehen, sobald dies für den Schutz der 1. Armee, bezw. zur Mitwirkung mit der 7. Armee erforderlich wird oder ein Abziehen von Kräften des Feindes erfolgt.

Woyrsch hindert ein Abziehen russischer Kräfte u.s.w., so wie früher befohlen. (Diese beiden Befehle sind Theorie und ein Zugeständnis Falkenhayn). - Sehr wichtig ist der Operationsbeginn. Der Beginn des Angriffes für 4. 11. Brig. und 1. Armee wird Mackensen überlassen; Woyrsch geht gleichzeitig mit 4. Armee an, die 7. nach Operationsbereitschaft. Im Großen und Ganzen: Der Befehl ist nun vernünftiger. - Nachts Metzger bis gegen 2 Uhr auf. Er liest auch die Ergänzung meines Referates. Wirklich bewunderungswürdig, was er allein mit Aufbleiben leistet; jede Nacht so. - Bei Hindenburg Beginn 10. 8. und 9. Armee heute zu demonstrieren; Gallwitz greift morgen, Njemenarmee wahrscheinlich übermorgen an. -

Der Befehl.an die Südwest Front ist noch nicht unterschrieben. Metzger sagt mir aber, der Chef habe ihn gelesen und sei einverstanden; er zögere nur, ihn momentan hinauszugeben, diese Woche aber wird er noch hinausgehen. - Abends spreche ich endlich einmal wieder über die Zukunft, und erfahre folgendes: Man will Deutschland dazu bringen, dass die beiden Kaisermächte einen Separatfrieden mit Russland anstreben, der als Grundlage eine dauernde Freundschaft hat. Daher soll Russland in keiner Weise verletzt werden und alles ihm abgenommene Gebiet zurück erhalten. Uns hätte es natürlich die nach den jetzigen Operationen eventuell noch besetzten geringen Teile Galiziens zu geben. Deutschland verlöre die ganzen Eroberungen in Polen. Dies alles angeblich aus dem Grund, um eine polnische Irredenta und Reibungsfläche zwischen uns und Deutschland zu vermeiden. (Ich glaube der geheime Grund ist ein anderer. Man kokettiert mit der alten polnischen Wirtschaft und will es verhindern, dass Deutschland uns zwingen würde, gegen unsere Polen und Slawen überhaupt eine so energische Politik zu machen, wie sie jedenfalls in dem „größeren Deutschland“ platzgreifen würde.) – Jedenfalls ist die Rechnung falsch. Deutschland hat uns geholfen Galizien wieder zu erobern, hat seine besten Kräfte für die Gewinnung ungeheuerer Gebiete geopfert; Deutschland braucht ein niedergeschmettertes Russland, ja ein niedergeschmettertes Slawentum überhaupt, um in Zukunft so groß zu sein, dass es sich ein halbes Jahrhundert gegen jeden Angriff mit absoluter Sicherheit erwehren kann. - Was die Führung des Krieges gegen Italien betrifft, glaubt man, Deutschland werde dazu nicht zu haben sein; immerhin möchte man anstreben, dass Deutschland die Hauptlast des Deckungskrieges gegen Russland übernimmt, während wir Italien abtun können. - Da Befehl noch nicht unterschrieben ist und seine Unterschreibung auch noch unsicher ist, lasse ich Schittler übermorgen fahren und beabsichtige nach ihm, etwa um den 20. nach Tirol zu reisen.

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