Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
23.07.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
23.7.1915

Ein Tag der Unklarheit (wenn man nach den Meldungen urteilen wollte). Zu Mittag beurteile ich die Lage etwa folgendermaßen: Die Schlacht im Görzischen hat gestern, anscheinend aber nur vorübergehend, in ihrer Heftigkeit nachgelassen. Namentlich vor dem Brückenkopf Ruhe; aber auch gegen das Plateau wiederholen sich die Angriffe nicht mehr mit der früheren Energie. Trotzdem muss man gefasst sein, dass die italienische Heeresleitung erneuerte Anstrengungen machen wird, um jetzt den Erfolg zu erzielen. Neue Angriffsvorbereitungen gegen den Görzer Brückenkopf, heftiges nächtliches Artilleriefeuer und nicht zuletzt die bestimmte Sprache Cadornas in den letzten Kriegsberichten deuten darauf hin. Unsere Führung hat sich glücklicherweise vorläufig damit begnügt, in jenem Abschnitt, wo der Feind Erfolg hatte, östlich Sdraussina, die letztgemeldete Verteidigungsstellung halten zu lassen. Von den zudisponierten Reserven treffen heute die beiden Tiroler Regimenter und 12 Transporte der 59.ITD ein; morgen früh wird daher eine starke, übermorgen so ziemlich die gesamte samte Kraft zur Hand sein. Die Italiener dürften von ihrer verstärkten 3. Armee noch mehr Mobilmiliz Divisionen und den Rest der Armee unmittelbar Bersaglieri in die Schlacht bringen können. -

Trotzdem ich die Lage günstig beurteile, beantrage ich, dass auch noch die 19.Lst.G.Brig. fährt. Es wird bewilligt. - Abends meldet das Kommando Südwest, dass von Bosco keine Meldung vorliegt; man schließt in Marburg daraus, dass sich nichts Wesentliches ereignet hat. Nach der zweiten Vormittagsmeldung konnte man nicht diesen Eindruck haben. Vielleicht hält Bosco mit irgendetwas (einem größeren Angriff, der Siegesbotschaft; denn an ein Malheur vermag ich nach dem Kräftekalkül nicht zu glauben) zurück. Metzger will natürlich sogleich, ich solle urgieren; ich erreiche, dass diese Urgenz bis 10 Uhr hinausgeschoben wird und trachte die Sache auf telefonischem Wege zu schlichten. Hauptmann Milosević von der Südwestfront gibt mir die volle Beruhigung (9 Uhr abends), dass nichts geschehen sei. - Meldung kommt um ½ 11. Schlacht dauert weiter, nichts Besonderes los. Fahre noch gegen Mitternacht ins Schloss zum Chef, um ihm diese beruhigende Nachricht zu bringen.

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