Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
31.08.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
31.8.1915

Früh: Russen gingen gegenüber einem Teil der Südarmee zum Gegenangriff über und erbeuteten 24 Geschütze, darunter die Hälfte deutsche. Bei Luck stockt die Sache, überhaupt in ganz Ostgalizien. Die reinliche Trennung! -

Vom 5. AK. ist Pitreich angekommen. Schitler sagt er, es handle sich um die „Kabinettsfrage". Mir erzählt er in Gegenwart der beiden Herren vieles über die Lage, ohne mich indessen überzeugen zu können, dass die Führung in der zweiten Schlacht von Görz eine geordnete und richtige war. - Vormittag referiert Pitreich bei Metzger und übergibt ihm einen Bericht Boroević, den er mir dann in Abschrift zeigt. Dieser Bericht beginnt mit den Sätzen: "Ob ich einen vorschnellen Entschluss fasste, als ich um Versetzung in den Ruhestand bat, möge der nachfolgenden Darstellung entnommen werden. In meinem Alter, in meiner Stellung und in der gegenwärtigen Situation der Monarchie dürfte bei meiner Vergangenheit angenommen werden, dass nur das höchste Pflichtgefühl diesen ungewöhnlichen Entschluss zeitigte. Ich nehme das Vorhandensein dieses Pflichtgefühls für mich in Anspruch, wenn ich melde, dass ich erst nach wochenlangen schweren Kämpfen mit mir selbst zur unumstößlichen Erkenntnis kam, dass bei Fortdauer der bisherigen Arbeitsmethode der Hilfsorgane des Kommandos Südwestfront ich den in mich gesetzten Erwartungen nicht entsprechen kann, also der großen Sache schade, wo ich ihr doch nur nützen möchte." Der Bericht strotzt von Schmeicheleien, sowohl für Erzherzog Eugen als auch für das Oberkommando, wärmt alle Befehle auf, die einen Eingriff gegen das 5. AK. bedeutet haben sollen, kramt die allerschmutzigste Wäsche aus (vertrauliche Äußerungen des Feldmarschalleutnants Krauss gegenüber GM Le Beau!) und gipfelt in dem Schlusssatz, der keinen Zweifel darüber lasse, dass es sich um Ablösung des Fmlt. Krauss handelt. („Ich konnte nicht anders abzuhelfen suchen, als dass ich mich, der ich ohne Absicht der Stein des Anstoßes zu sein scheine, auszuschalten bat, um von Seiner k.u.k. Hoheit und der Armee Unheil abzuwenden. Findet man eine andere Lösung der Frage, die nicht ungelöst bleiben kann, so wird niemand glücklicher sein als ich." - Nachmittag kommt Pitreich wieder und abends kommt er noch einmal. Ich sage ihm ziemlich unverblümt meine Ansichten; sowohl die operativen wie auch jene über den Bericht Boroević‘s. Was die operative Seite betrifft, scheint Boroević übrigens Wind von der hiesigen Auffassung bekommen zu haben, da abends eine Berichtigung der Gruppierung auf dem Plateau kommt: Das III. Korps hat nun einen wesentlich größeren Abschnitt, bis zum Monte dei sei Busi! Abends bespreche ich die Angelegenheit mit General, der seine Ansicht in den Worten zusammenfasst. Boroević ist ein Hund, Krauss ein Dickschädel und Doktrinär; „eigentlich sollte man beide wegjagen", worauf ich sage, das wäre eine Lösung, dann schicke man Boroević in Pension und gebe Krauss ein Korpskommando. Hierauf geht Metzger zum Chef referieren und bringt die Entscheidung: Der Erzherzog schreibt dem Erzherzog Eugen: „Der Kommandant der 5. Armee habe seinen Bericht Op...., - wie dies auch aus dem Schlusssatz dieses Schriftstückes hervorgeht, - dem Chef des Generalstabes eingesandt. Ich billige diesen Vorgang nicht. Der Chef des Generalstabes hat mir den Bricht vorgelegt. Diesem ist zweifellos zu entnehmen, dass es sich nicht um Differenzen zwischen dem 5. AK. und dem Kommando der Südwestfront, sondern um einen persönlichen Gegensatz zwischen dem Kommandanten der 5. Armee und dem Generalstabschef der Südwestfront handelt. Ich finde zu entscheiden: Die beiden Generale haben auf ihren Dienstposten zu verbleiben. Feldmarschalleutnant Krauss muss unnütze Schärfe und Einschränkung der Selbstständigkeit des Kommandanten der 5. Armee vermeiden. Boroević darf sich nicht fortwährend gekränkt fühlen und muss sich stets gegenwärtig halten, dass Befehle eines vorgesetzten Kommandos unbedingt befolgt werden müssen." -

Der Befehl wird in dieser Fassung genehmigt und kommt morgen, wenn der Marschall zurückkommt, zur Unterschrift. -

Der Befehl, über die Verluste in der zweiten Görzer Schlacht zu berichten, hat einen ganzen Rattenkopf von Berichten, gerichtlichen Erhebungen und Schreibereien herbeigeführt, sodass es notwendig wird der Sache ein Ende zu machen. Auch das wird genehmigt.

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