Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
04.09.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
4.9.1915

Auf unserem Frontteil des russischen Kriegsschauplatzes geht es - wie zu erwarten war - nicht vorwärts. Nun sollen die schärfsten Befehle Wandel schaffen. Vor allem einer, dass kein Rückzugsbefehl mehr erlassen werden dürfe. Hiemit hat man gute Erfahrungen gemacht. - Als Folge dieser Befehle erhielt das V. Korps vom Armeekommando den Auftrag, die feindliche Stellung unbedingt zu durchbrechen. Eines nur ist klar: Die ganze Operation ist gründlich verschustert. -

Auf dem I-Kriegsschauplatz nicht viel Neues. Immerhin nach längerer Zeit wieder der erste energische Angriff am Plateau. Auffallend ist, dass die Italiener jetzt viel besondere Kampfmittel verwenden (Stinkbomben, Schutzschilde, Minenwerfer u.s.w.)

Die Balkanfrage tritt immer mehr in den Vordergrund. Der Militärattaché in Sofia hat den Entwurf eines Bündnisvertrages vorgelegt, der vorerst bis Ende 1920 gelten soll und im Wesentlichen die Garantie der politischen Unabhängigkeit und des Territorialbesitzstandes durch Deutschland beinhaltet.

(1. Die hohen Vertragschließenden versprechen sich Frieden und Freundschaft und werden in kein Bündnis oder arrangement eintreten, das gegen einen ihrer Staaten gerichtet ist. Sie vereinbaren eine freundschaftliche Politik und werden sich „dans la limite de leurs intérêts et de leurs moyáns“ gegenseitig unterstützen. 2. Deutschland garantiert „par tout ses propres moyáns; für die Vertragsdauer die Unabhängigkeit und den Besitzstand Bulgariens gegen jeden Angriff, von welcher Seite immer er komme, solange dieser Angriff ohne Herausforderung Bulgariens erfolgt. – Der Vertrag soll vorerst geheim bleiben.)

Eine Annexe secrète ergänzt die Militärkonvention. Deutschland garantiert Bulgarien folgende Gebiete: a) die beiden serbischen Zonen, die im Vertrag zwischen Bulgarien und Serbien vom 29.2. (13.3) 1912 als strittig und nichtstrittig bezeichnet sind; b) das serbische Gebiet, das einst zum bulgarischen Exarchat gehörte und das Moravatal von der Mündung bis zum Zusammenfluss der beiden Morava, dann folgend der Wasserscheide zwischen beiden Flüssen Stiefel von Kačanek und Šac - plan. weiters der Grenze des Bulgariens von San Stefano. Wenn Rumänien oder Griechenland Bulgarien, seine Verbündeten oder die Türkei angreifen würden, bekäme Bulgarien volle Handlungsfreiheit. Sollte Albanien ein unabhängiger Staat bleiben und die Mehrzahl der albanischen Bevölkerung den Wunsch ausdrücken nach einer Personalunion mit Bulgarien, so würde Deutschland seine Einwilligung dazu geben. Die vertragschließenden Teile verpflichten sich, den Frieden nur gemeinsam und nach vorherigem Einvernehmen zu schließen. Deutschland verpflichtet sich, Bulgarien 200 Millionen Francs als Kriegskosten, 50 Millionen monatlich zu überweisen, sobald Bulgarien in Aktion getreten ist. - Natürlich wird hier von unseren Patentpolitikern wieder Stellung genommen gegen diesen Vertrag, weil man befürchtet, Bulgarien würde zu groß werden! Barer Unsinn! Es handelt sich doch nur darum, Bulgarien überhaupt an unsere Seite zu bekommen; dann ist alles gemacht, Deutschland und seine Verbündeten würden den Balkan, ja die Sieger im Weltkrieg würden die Welt beherrschen. - Schitler reist mit der Protestnote nach Wien. (Mit dem Nachtzug). - Auch in der Militärkonvention werden noch Schwierigkeiten gemacht und zwar in der Frage des Oberbefehles, obwohl es nun ganz lächerlich ist, dass wir ihn behalten sollen, wo doch viel mehr deutsche Truppen da sein werden (4 Divisionen fahren schon, und unsere sind nicht einmal herausgezogen.

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