Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
10.10.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
10.10.1915

Unsere Mittagsmeldung schon lässt erkennen, dass die Italiener bei Folgaria fertig sind. Auch sonst nichts Neues. Trotzdem glaube ich aber nicht an eine endgiltige Einstellung der Operationen.

Die Abwehr klappt nun auch im Norden und alles Interesse vereinigt sich auf den serbischen Kriegsschauplatz, wo es gut aber hart und langsam weitergeht.

Conrad wieder gesund. - Er unterbreitet dem Kaiser Memoire über die künftigen Friedensbedingungen und Gebietserwerbungen. Der Tenor dieser Denkschrift ist ziemlich unsicher; Conrad hält es noch nicht für ausgemacht, welcher Machtgruppe der Sieg zufallen wird, spricht sich aber deutlich für den Block mit Deutschland, also für engsten Anschluss, aus. Zum ersten Mal, wie ich glaube, betont er, dass unser Menschenmaterial im Juni 1916 ausgeht, dass also von diesem Zeitpunkt an, unsere Armee zusammenschmelzen wird. Während eigentlich die ganze Einleitung der Denkschrift recht schwach anmutete, wird eigentlich im Punkt Gebietsabtretungen ein Maximum gefordert: Wenn möglich, ganz Polen, ganz Serbien (was doch dem Vertrag mit Bulgarien widerspricht, die Sache ist übrigens nicht klar ausgedrückt), von Montenegro zumindestens alles zur Sicherung der Bocche erforderliche, von Italien wenigstens die Bergfüße und die Piave Grenze. Das ganze Elaborat ist gar nicht stilisiert und redigiert; so kommt zum Beispiel der lächerliche Vorschlag darin vor, die Italiener nicht zur Wehrpflicht heranzuziehen, sondern sie nur Arbeiterdienste leisten zu lassen… - Übrigens ist nicht zu ersehen, was im gegenwärtigen Zeitpunkt ein solches Memoire veranlassen könnte? Vielleicht ein kaiserlicher Befehl? Charakteristisch für unsere Arbeitsmethode ist, dass niemand die Sache zum Studium vom Standpunkt seines Ressorts bekommt; die Denkschrift wird vielmehr vom ersten Konzept gleich abgeklopft. -

Nachmittag kommt Kless zurück. Er hat viel gesehen und erlebt, die Isonzofront vom Krn bis Görz durchwandert und im Allgemeinen die besten Eindrücke gewonnen. Nach meinem Rat spricht er sich vor Metzger aber dahin aus, dass die Besatzung bei Tolmein etwas dünn ist, was ja auch zutrifft. Krauss soll bei der Truppe nicht beliebt sein, namentlich wegen seiner scharfen Befehle. Die höheren Kommandanten machen den besten Eindruck, einzelne sind wahre Helden. - Abends spreche mit Metzger darüber, dass es sehr erwünscht wäre, das VII. Korps nicht abzugeben, sondern die 3. und 6. Division als Plus zu bekommen. Er scheint nicht grundsätzlich abgeneigt, betont aber, dass die reine Verteidigung im Norden wider Erwarten auch sehr große Verluste gezeitigt habe, so in 3 Tagen bei der 4. Armee 12.000 von 36.000 Mann. Das ist allerdings sehr viel. Ich betrachte diese Erscheinung aber als Nachwirkung der Herbstsau; die auf alle Truppen fürchterlich gewirkt haben muss. Übrigens hatte die 5. Armee in der 2. Schlacht von Görz von 100.000 Mann auch 45.000 Verluste (in 10 Tagen), das heißt 4,5 % täglich. Andererseits haben aber die Russen kein Trommelfeuer. - General bewilligt mir meine Fahrt; ich möchte nun Pola, Triest und Doberdò, vielleicht auch Fari bei Malborget besuchen. -

Kageneck erzählt, der deutsche Gegenangriff in Frankreich sei wieder gestoppt, weil man sich noch für zu schwach erachte. - Nachrichten aus Berlin erzählen, dass es gelingen dürfte, Griechenland zumindestens zu einer wohlwollenden Neutralität zu bewegen.

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