Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
21.10.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
21.10.1915

6 Uhr früh Fahrt von Krainburg über die Wurzen nach Villach. Meldung bei Rohr. Frage ihn gemäß des Auftrages des Chefs über die beiden Generale in Tarvis. Rohr sagt: Langer hat vielleicht bona fide gehandelt, aber zweifellos den Schein eines unmilitärischen Verhaltens auf sich geladen. Jaschke sei „mitgefangen“. Bei Langer kommt noch als erschwerender Umstand in Betracht, dass er Rohr in Tarvis sagte, die Meldung über die Räumung dieses Ortes sei nur von einem Generalstabsoffizier verfasst; worden, während sich herausstellte, dass diese Meldung vom Divisionskommando herrührt. Zur Mitfahrt habe Rohr Langer nicht aufgefordert, weil er meinte, Langer könne sich dadurch beleidigt fühlen und eine entsprechende Antwort geben. Auch Rohr wurde in dieser Angelegenheit bereits vom Landesverteidigungsminister und vom Kriegsminister angegangen, erteilte jedoch keine näheren Auskünfte. Soviel über die Affaire Langer. Im Übrigen ist Rohr voll des Lobes über seine Organe, Truppe und Kommandanten; er hebt hervor, dass er dies in einer Beschreibung zum Ausdruck werde bringen müssen, damit man auf diese Leute aufmerksam wird. - Von Spitzmüller und anderen erfahre ich, dass wieder (ich glaube am 18. oder 19.) ein Angriff gemacht wurde, und zwar von GM. Fernengl mit 4 Bataillonen, um den Sompdognasattel zu gewinnen. Die Sache klappte aber nicht; die Artillerievorbereitung war wegen Wetter ungenügend, die Aufbruchszeiten wurden nicht überall genau eingehalten; kurz und gut, unsere Truppen kamen zwar stellenweise nahe an die Italiener heran, „konnten aber nicht durchdringen“. Natürlich kostete die Sache wieder viel Blut, etwa 80 Tote, 300 Verwundete - alles umsonst. - Mittags speise ich bei Rohr; prächtige Unterkunft im Parkhotel. Sodann Fahrt mit Metzger junior, der hier eingeteilt ist, über Tarvis (dessen oberer Ortsteil wieder beschossen wird) nach Kaltwasser und aufwärts ins Kaltwassertal; dann Aufstieg längs der Drahtseilbahn (sehr schöne Anlage) und weiter bis zum Artilleriebeobachtungsstand links des Prasniksattels (der gleichfalls unter Feuer steht). Von dort (das heißt vom Beobachtungsstand) mit 15fachem Fernrohr (circa 5 Uhr abends) noch gute Fernsicht auf die italienischen Stützpunkte am Sompdognapass und die umliegende Gebirgswelt: Mir scheint es ganz klar, dass so ein Angriff mit unzureichender Artillerie und unzureichenden Kräften ein Unsinn ist! Allerdings sind die Beobachtungspunkte des Feindes für uns recht unangenehm; aber es ist noch immer besser, durch Zufallstreffer hie und da ein paar Leute zu verlieren als große Verluste bei einem solchen Angriff zu haben. - - Rückfahrt nach Kaltwasser mit der Seilbahn; sehr lustig, wenn man genügendes Vertrauen in die Technik hat. In Kaltwasser spreche ich Fáry so ein Viertelstündchen. Es geht ihm recht gut; mager ist er im Krieg geworden. Er ist zumeist Beobachter. In den letzten Tagen schoss seine Batterie sehr heftig und auch die gereizten Italiener antworteten. Bisher hatte die Batterie noch keine Verluste. - Oben, am Prasnik sprach ich mit Major Hochhauser von der Artillerie, der hier Abschnittskommandant ist. (Er hat einige Wünsche für Pflug: einen Adjutanten, mehr Bedienungsmannschaft; dann Reservebestandteile für jedes Geschütz. Erzählt mir auch, dass eine Haubitze neulich beim Angriff 270 Schuss in einem Tag abgegeben hat....). Dann einen Landesschützenhauptmann (Kommandant des früheren, übrigen noch immer diesen Namen tragenden Landwehrbesatzungsdetachements des Forts Hensel. (Stand seiner Kompanie 180 Mann; bisher bekam er 40 Mann Ersatz. Er braucht eine bessere alpine Ausrüstung; nicht einmal ordentliche Bergschuhe haben alle Leute; dann Eisenpickel, Bergstöcke u.s.w.). Rückfahrt in Tarvis gegen 8 Uhr. Zuerst Nachtmahl; dann Hughesgespräch mit Kless. Er sagt mir, auf ganzer Linie Schlacht im Gange; Italiener greifen diesmal doch energischer an, drangen auch an einigen Punkten ein, wo Kampf noch nicht abgeschlossen. General Metzger erkundigte sich nach mir und meinte, jetzt sei mein Programm ja bald absolviert. Unter diesen Verhältnissen gebe ich die für morgen projektierte Partie auf den Mojstrovka und gegen Flitsch auf und entschließe mich, früh nach Marburg zu fahren. Als ich aus Situationsmeldung des XV. Korps ersehe, dass der Feind am Mrzli vrh eindrang, rufe ich Kless nochmals zum Telefon und teile ihm dies mit. Ich bemerke dabei, dass es nun doch gut wäre, sich endlich zum Abtransport der 6.ITD zu entschließen. Kless sagte mir schon im ersten Telefongespräch, dieser Abtransport stehe noch immer in Erwägung, der Entschluss falle aber sehr schwer, da auch oben angegriffen wird (das heißt von den Russen). Ich führe als Gründe für den Antransport gerade dieser Division an, dass es speziell im Bereich des XV. Korps, wo die Zuversicht - wohl berechtigtermaßen - doch auf schwachen Füßen steht, Reparaturen notwendig werden können, die in diesem Terrain von einer anderen Truppe nicht zu leisten wären. -

Telegrafiere noch Mitzchen, dass ich morgen 815 abends in Wien ankomme; wenn es geht, möchte ich am 23. in Wien bleiben und am 24. früh in Teschen sein. Zur Abmeldung komme ich heute nicht mehr, da die höheren Herren schon alle schlafen (wie es auch in Ordnung ist).

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