Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
30.10.1915
Wählen Sie aus:
Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
30.10.1915

In der heutigen Morgenzeitung überrascht mich ein Armee- und Flottenbefehl an den Erzherzog Eugen, der in sehr merkwürdigem Ton gehalten und der jetzigen Lage sowie den vergangenen Ereignissen gar nicht angepasst ist. So ist von 3 Monaten heißer Kämpfe die Rede, während doch verhältnismäßige Ruhe herrschte, jetzt aber eine gewaltige Schlacht tobt. Die Militärkanzlei scheint 1) dem Situationsbericht der Südwestfront, der die Schlacht als siegreich beendet bezeichnete, aufgesessen zu sein, 2) vielleicht gewisse Pläne vorzubereiten, die sich möglicherweise bald in der Ernennung Erzherzog Eugens zum Marschall deutlicher aussprechen dürften. - Die Mittagsmeldung lässt endlich erkennen, dass die Italiener an der Plateaufront bereits Teile des bisher zurückgehaltenen XI. und XIII. Korps einsetzten. Das Communiqué wird heute sehr schwierig. Man kann die Schlacht noch nicht als beendigt bezeichnen, immerhin aber ein gewisses Nachlassen des Angriffes andeuten.

Man sagt, in Serbien treten schon wieder ähnliche Zustände wie bei Potioreks Offensive auf; die Trains kommen nicht vorwärts, die Truppen hungern. Tragtier- und Traineskadronen, die für den Offensivkrieg gegen Italien bestimmt waren, müssen dort hinunter. Ich glaube aber, Mackensen wird doch vernünftig sein und sich um den Zustand der Truppe kümmern!

In den Wiener Morgenblättern Siegesartikel auf Grund des Armee- und Flottenbefehles. Dabei unsere Meldungen über den Fortgang der Schlacht. So ziehen immer mehrere an demselben „Strang“! - Abends schreibe ich wieder einen kleinen Artikel über den Fortgang der Isonzoschlacht. Die Abendmeldung meldete ziemliche Ruhe: Gegen das Plateau werden aber neue Anmärsche beobachtet. Ich glaube, es geht noch 1, 2 Tage weiter. - Spreche heute zum ersten Mal mit Kageneck sehr deutlich über die italienische Frage und betone, es wäre hohe Zeit, dass die beiden Chefs einmal darüber reden, was nach Erledigung Serbiens zu geschehen hat. Unsere Volksstimmung - sage ich - würde eine Gebietsabtretung nach diesem einzigen populären und erfolgreichen Kriege nie zugeben. Zuerst muss der Feind gänzlich von unserem Gebiet vertrieben werden; dann müssen wir strategische Grenzen gewinnen, dass die Monarchie und damit das deutsche Volk vor jedem derartigen Rückenangriff für alle Zeiten sicher sind. Das sind unsere Ziele; darüber muss geschrieben werden.

X
Tablet drehen