Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
01.11.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
1.11.1915

Zu meiner nicht geringen Überraschung enthalten die heutigen Morgenblätter bereits ein kategorisches, amtliches Dementi der Gerüchte über Friedensverhandlungen mit Italien. Die Militärkanzlei hat die Zuschrift des AOK gleich dem Ministerium des Äußern weitergegeben. Es kann aber auch sein, dass dieses Dementi unabhängig von uns ausgegeben wurde. Jedenfalls deutet sein rasches Erscheinen darauf hin, dass die Gerüchte tatsächlich bestehen und das Ministerium des Äußern Eile hat, ihnen entgegenzutreten. - Vormittag ausführliches Hughesgespräch mit Salis über die Lage. Man ist beim Kommando Südwest der wohl zutreffenden Auffassung, dass die italienische Oberste Heeresleitung wohl noch den Willen hat, den Angriff fortzusetzen, dass dieser Wille aber nicht mehr durchdringt. - Mittags geben wir also das abschließende Schlachtencommuniqué hinaus. Hoffentlich wird es wirken; namentlich mit den 150.000) Gefangenen und mit dem Satz, dass unsere bewaffnete Macht neuerdings bewiesen hat, wie eitel und haltlos alle Ansprüche unseres einstigen Verbündeten auf südwestliche Grenzgebiete sind, die er durch hinterhältige Rückenangriffe leichthin erobern zu können glaubte.

Die Sache in Serbien geht sehr glatt.

Ich schreibe jetzt nichts über andere Kriegsschauplätze, weil ich mit meinem ganz beschäftigt bin und mich den übrigen Herren fernhalte, um jede Diskussion zu vermeiden. - Abends verfasse ich wieder ein Communiqué für die Presse, dass unser amtliches etwas erläutert. Kaum ist dieses fertig, kommt die Abendmeldung: Wieder heftige Kämpfe bei Plava und am Görzer Brückenkopf. Die Italiener brachten 2 Brigaden der Tiroler Front heran: Bei Plava ist der Angriff bereits abgeschlagen; am Görzer Brückenkopf wird noch gekämpft. Ich habe den Eindruck, dass dies die letzten Anstrengungen bedeutet, weil die anderen Kräfte nicht mehr angriffsfähig sind. Übrigens sind die Italiener wieder ungeschickt; sie setzten die beiden Brigaden nicht einheitlich ein, wodurch sie vielleicht - namentlich auf der Podgora - einen Erfolg hätten erzielen können. Diese Podgora ist, wie Kless erzählt, schon wegen ihres Profils ein kritischer Punkt. Trotzdem: Wenn unsere Führung am Platz ist, können wir durchhalten, wir haben ja noch, ½ Divisionen (6. + 187.Brigade) als Armeereserven. Die Nachtmeldung verstärkt noch den Eindruck, dass die Kämpfe heute äußerst heftig gewesen sein müssen. Im Raum von Plava drang der Feind bei Zagora ein. Die mächtigsten Anstrengungen der Italiener richten sich aber gegen den Raum von Görz. Der Brückenkopf wurde - allerdings anscheinend hauptsächlich mehr von Feldartillerie - betrommelt. Am M.Sabotino wurden 2, vor Oslavija 1, vor Pevma 4, auf Podgora Nord 2 sehr heftige Angriffe abgewiesen. Bei Podgora Süd drang der Feind wieder in einzelne Gräben ein, Gegenangriff wird wohl wieder während der Nacht geführt werden. Auch gegen den Abschnitt des M.S.Michele gingen sehr starke Angriffe los; größtenteils scheiterten sie aber schon in unserem Feuer. Ich habe den Eindruck, dass dies so ziemlich die letzten Kraftanstrengungen der Italiener sind. Allerdings können sie noch weitere Kräfte von der Tirolerfront heranführen; deren sukzessiver Einsatz wird aber nicht zum Erfolg führen. Warum führten sie zum Beispiel Alpini gegen Plava, jene Marche gegen den Brückenkopf und nicht beide gegen letzteren vor? Das hätte zum Erfolg führen können. Immerhin ist der heutige Angriff anscheinend einheitlicher als alle früheren. - Das Communiqué war also doch etwas vorgeschossen. Allein um der beabsichtigten politischen Wirkung willen konnte man nicht mehr zuwarten. Kageneck findet übrigens seine Sprache nicht lapidar genug… Ich glaube Falkenhayn und Bethmann wird sie nur zu lapidar sein.

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