Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
27.11.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
27.11.1915

Für die Fortführung des Balkanfeldzuges wurden entscheidende Entschlüsse gefasst. Es soll nun doch die Entente angegriffen werden. Ein nachts gekommenes Telegramm Falkenhayns sagt, dass sich die Lage vollständig geändert habe, die Franzosen und Engländer nun geschlagen werden können und dass er die bestehenden Verpflegsschwierigkeiten in Kauf nehmen wolle. Dies ist wohl das Ergebnis der Besprechungen von Orsova. Es geschieht nun, was von hier aus immer - allerdings recht nebulos - vorgeschlagen wurde. Darob hier große Freude und Genugtuung. Chef und Metzger sind heute früh nach Pleß gefahren, da Falkenhayn morgen in dringender Angelegenheit nach dem Westen reist. - Der Balkanentschluss zeigt wieder die Größe dieses Mannes; er ändert ruhig seine Entschließungen, wenn es die Lage erfordert und hat genug Überwindung, ein wenn auch nur scheinbares Unrecht zuzugestehen. Man kann aus der Korrespondenz über diese Frage, die ich übrigens nur aus Mitteilungen anderer kenne, aber auch entnehmen, wie zurückhaltend die Oberste Heeresleitung in ihren Depeschen und Schriftstücken sein muss. - Mittags sucht mich Lorx auf, der von der Tiroler Reise zurückgekommen ist. Er erzäh1t, dass man in Bozen glaubt, hier (das heißt in der I-Gruppe!) bestünde eine Abneigung gegen das dortige Kommando. Ich antworte natürlich, dass davon keine Rede sein könne; es handelt sich mir nur um die Sache, in der die Ansichten nicht immer gleich sein können. In Marburg bemerkte Salis, das AOK (das heißt wieder die I - Gruppe) beurteile die Situation in letzter Zeit weniger zuversichtlich und nicht ohne Besorgnis. Ganz besonders besorgt klingen aber die Anfragen Kagenecks. Darauf kann ich nur erklären, dass Kageneck immer ein Panikeur war; meine Anfragen aber immer nur eine Klarstellung der Lage (namentlich der verfügbaren Kräfte und ihres Zustandes) betreffen, da ich auf die Phrasen von der ewigen Zuversicht nichts gebe. Natürlich längere Debatte darüber, in der ich mich auch sehr bestimmt darüber ausdrücke, dass ich von dieser Methode, die sich durch mehrere Schlachten bewährte, nicht abgehen kann, aber auch hier nicht an meiner Stellung beim AOK hänge. - Die Angriffstätigkeit der Italiener an der Isonzofront hält an. Heute vormittags wurden Angriffe bei Selo, Plava und Oslavija abgewiesen. Bei letzterem Ort war der Kampf am heftigsten. Gegen den Doberdòabschnitt erfolgte ein Angriff (bis in die Nachmittagsstunden), doch scheint sich ein solcher längs der ganzen Front Wippachmündung - Monte dei sei Busi vorzubereiten. Auch gegen den ganzen Abschnitt des XV. Korps, der bisher in der 4. Schlacht ziemliche Ruhe hatte, scheint ein Angriff bevorzustehen. - Die Ablösung der 28. ITD durch die 9. ist vollzogen. - Gesamteindruck: In den nächsten Tagen dürften die Angriffe an zählreichen Stellen der Isonzofront fortgesetzt werden. – Um den 1. Dezember ist eine besondere Kraftanstrengung des Feindes gegen den Raum von Görz zu erwarten. In Kärnten und Tirol: Tiefe Wintertemperatur. (Karnischer Kamm 22, Stilfser Joch 32 unter Null).

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