Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
12.12.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
12.12.1915

Auch der heutige Tag ohne Ereignisse und zwar auf allen Kriegsschauplätzen.

In. der B-Gruppe schon seit mehreren Tagen eifrige Vorbereitungen für die Bocche-Aktion zur Wegnahme des Lovčen, die Trollmann kommandieren soll.

Bei uns langt die Beurteilung der italienischen Angriffsaktion in den Judicarien ein. Diese Beurteilung bewegt sich in den herkömmlichen Worten von großer Zuversicht; was geschehen ist, um weitere Fortschritte der Italiener zu verhindern, wird nicht gesagt. (Das Kommando der Südwestfront beurteilt die Angriffsaktion nicht als eine entscheidungssuchende Aktion größeren Stils, da zur Durchführung einer solchen eine verstärkte ID (6. und 4 - 6 Bersaglieri und Alpini Bataillons, zusammen 16 - 18 Baon.) nicht genügen. Vielmehr dürften die Italiener bezwecken, uns zur Schwächung unserer Isonzofront zu verleiten, um nach einigen Tagen dort eine erneuerte Offensive zu versuchen. Möglicherweise ist der Grund zur Offensive an der Tiroler Südwestfront auch in dem Bestreben der Italiener zu suchen, an dieser Front einen politisch so notwendigen Erfolg zu erzielen, der ihnen bisher an der entscheidenden Front versagt blieb. Sie mögen an diesem Frontteil umso mehr einen Erfolg erhoffen, als ihnen hier im Oktober die äußerst vorsichtig durchgeführte Besetzung der von uns geräumten Vorstellungen in der Linie M.Melino - C. Palone - Nodic verhältnismäßig leicht gelang. Das LVK beurteilt die italienische Angriffsaktion, die sie bereits erwartete, ebenfalls als nicht entscheidungssuchend und sieht der Entwickelung derselben mit größter Zuversicht entgegen.) Ich kann dazu nur sagen: „zuversichtig“. Nach allen Erfahrungen (Col di Lana, M.Vies) keine realen Gründe. - Schneider sammelt wieder die Stände; der Grund dafür ist eine von Conrad an Falkenhayn beabsichtigte Zuschrift, in welcher er einer Frühjahrsoffensive gegen Russland das Wort redet. Er kalkuliert, dass unser jetziger Stand ausreicht, die russische Front bei genügend dichter Besetzung zu halten. Bis zum Frühjahr kämen durch die Marschbataillone (3 Turnusse) rund 50.000 Mann dazu. Natürlich ist dies ein Irrtum. Selbst vorausgesetzt, dass für. diese 50.000 Mann die Gewehre da sein werden, so sind dies ja keine Heereskörper (da Artillerie und alles fehlt, besonders der innere Zusammenhalt), sondern immer nur Ersatz!

Abends lese ich einen interessanten Bericht über eine Unterredung Hohenlohes (unseres Botschafters in Berlin) mit Helfferich, dem Reichsschatzsekretär. Dieser klagte seine schwere Sorge; die Kriegsanleihe sei längst verbraucht, er musste sich jetzt mit Schatzscheinen forthelfen, um im nächsten Jahr, etwa im März, mit einer neuen Anleihe hervorzutreten. Bis Ende des Jahres werden die Kriegskosten 28 Millionen Mark in Deutschland, 40 in England betragen; sie seien übrigens noch immer im Zunehmen begriffen. Beide Staatsmänner waren im Prinzip darüber einig, dass man dem Gegner goldene Brücken bauen müsse, trotzdem aber festeste Zuversicht zur Schau tragen müsse. Der Reichsschatzsekretär ist überzeugt, dass Deutschland durchhalten könne und dass es ein Trugschluss sei, wenn England vermeine, durch mehrjährige Fortsetzung des Krieges Deutschland niederzuzwingen. Helfferich führt dafür ziemlich weit hergeholte Beispiele an; Zentraleuropa habe den 30jährigen Krieg, die Franzosenkriege überdauert und sei immer zu neuer Blüte erstanden; England müsse den Beweis für solche Widerstandskraft noch erbringen. (Scheint mir weit hergeholt und nicht sehr beweiskräftig!). Auch glaubt er, das Britische Reich werde zusammenbrechen, wenn das Mutterland finanziell niedergebeugt ist. Immerhin klingt aus dem ganzen Gespräch eine gewisse, und zwar ziemlich ernste! Sorge um die finanzielle Zukunft.

Über Conrad ist ein Buch im Entstehen; der Bürstenabzug liegt schon vor, vielleicht kommt es zu Weihnachten schon heraus. - Wie Kless von Metzger erfuhr, ist dieses Buch vom jüdischen Reserveleutnant Klein, Also das ist der erste Mann, der das Leben unseres Führers schildern soll und der dafür Daten bekommt. Überhaupt erzählt mir Kageneck, dass die Freiwilligen Automobilisten bereits eine Offiziersmesse mit Damen haben, in der jede Nacht Karten gespielt wird. Liebes Vaterland……

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