Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
31.12.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
31.12.1915

Früh sagt mir Exzellenz Höfer Adieu, der nun nach kurzem Aufenthalt wieder nach Wien geht. Er meint, dass die Russen nun nicht mehr angreifen können! Darauf muss ich ihm doch sagen, dass der Erfolg nicht darin, sondern in unserer organisierten Verteidigung liegt. Wie ich höre, sind wieder alle Angriffe abgeschlagen worden; ich glaube, es wird nun bald Schluss sein. Mir liegt eine Konfidentenmeldung aus Bern vor, die von einem letzten Entente Kriegsrat spricht. Wie aus einem Briefe Albriccis, der sich mit General Porro in Paris befindet, hervorgeht, sei in diesem Kriegsrat vereinbart worden, dass von nun an die Entente Mächte an den verschiedenen Fronten nicht mehr voneinander unabhängige Offensiven unternehmen werden, sondern dass noch im Laufe des Winters, vermutlich bald, auf allen Kriegsschauplätzen gleichzeitig eine gemeinsame Offensive ergriffen werden wird. Dasselbe geht auch aus der Berichterstattung des Marquis Carlotti in Petersburg an Sonnino hervor.- An der Italienfront absolut nichts Neues. - Abends kollationiere ich eine Zuschrift Conrads an Burián, worin unsere Kriegsziele (richtiger maximalen Kriegsziele) festgelegt werden. Conrad fordert: 1) Wenn möglich Vereinigung des ganzen von uns und den Deutschen besetzten polnischen Gebietes mit der Monarchie; eventuell würde er einer Teilung zwischen uns und Deutschland zustimmen, keinesfalls aber einem selbständigen Königreich oder der Einverleibung Polens mit Deutschland als Bundesstaat. 2) Vernichtung der staatlichen Existenz von Serbien, Montenegro und Albanien. (Hiebei sympathisiert er mit einem Einvernehmen mit Bulgarien und Griechenland, und legt das Hauptgewicht auf die Verdrängung Italiens von dem Ostufer der Adria. Der Gedanke Buriáns, der von leitenden ungarischen Kreisen ausgeht, nur den Belgrader Brückenkopf und die Mačva zu annektieren, wird als ebenso absurd bezeichnet, wie jener der Bildung eines größeren Montenegros. Die Zeit für eine Begnadigung dieses Staates sei vorbei. 3) Keine Vereinbarung mit Italien auf Grund des status quo. Zumindestens müssten wir Grenzkorrekturen erhalten; das Übrige hänge vom Stand der weiteren Operationen gegen Italien ab.

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