Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
01.01.1916
Wählen Sie aus:
Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
1.1.1916

Den Neujahrsabend verbrachte die Operationsabteilung in 2 getrennten Gruppen: Die Beweibten und Unbeweibten, zu welch letzteren ich hier gehöre. Wir saßen bei Schampus bis nach Mitternacht Im B-Zimmer zusammen, wobei die Unterhaltung recht dürftig war; immerhin noch besser, so en petit comité. Aber eigentlich ganz ungehörig. Wie ich hörte, waren die Deutschen allein in der Messe.... - Bei solchen Gelegenheiten, deren es doch nicht allzu viele gibt, sollte die Operationsabteilung schon geschlossen und zwar ohne Weiber auftreten. - Da Kless und Schitler fort sind, bin ich ganz allein und habe mit den Alltäglichkeiten immerhin einiges zu tun. Trotzdem bemühe ich mich, meine Studien wieder aufzunehmen. Englisch in den kleinen freien Pausen; dann den Goethe, abends sogar den Luther. - Ich möchte mich zerreißen in dem Gefühl von Unbildung und von der Notwendigkeit endlich etwas zu schaffen! So denke und fühle ich im Krieg schon für den Frieden voraus. - Eigentlich wäre es heute sehr angebracht, sich in einer Neujahrsbetrachtung in ein bisschen Prophezeiung zu ergehen. Nun, ich habe den Eindruck, dass der Krieg immer mehr ein wirtschaftlicher wird und daher wohl noch sehr lange, ja leider dieses ganze Jahr und vielleicht noch darüber hinaus dauern dürfte. Dies trotz aller Friedenssehnsucht der Einzelindividuen und Völker. Die militärischen Kräfte sind so ziemlich ausbalanciert. Dass dem so ist, daran trägt hauptsächlich unsere Herbstsau Schuld; überhaupt unser Verwüsten des Menschenmateriales. Auch der Gasdampf, der nun in der Bocche losgehen soll, gehört auf dieses Gebiet. Wir müssen sparen und dürfen uns nicht mehr auf Nebenaktionen einlassen! - So will auch ich die Offensive gegen Italien, wenn sie nicht naturnotwendig und mit den nötigen Mitteln kommt, nicht weiter betreiben. Von dem dummen Ehrgeiz, dass im eigenen Kriegsschauplatz etwas los wäre, muss man sich befreien! - Die jetzigen Angriffe der Russen, die übrigens überall abgeschlagen werden, beurteile ich als von den übrigen Ententemächten bestellt, damit wir am Abziehen von Kräften für den Balkan gehindert werden. – Große Sache ist das nicht, kann es nicht sein, die kommt erst im Frühjahr; in Mazedonien vielleicht früher. - Auf dem I-Kriegsschauplatz nichts von Bedeutung. - Abends spreche ich Lorx nach seiner Rückkehr von Semendria. Er erzählt mir, dass König Ferdinand auf ihn den besten Eindruck gemacht habe; er hat in wärmsten Worten über unseren Kaiser und unsere Armee gesprochen und es schien als käme dies von Herzen. Es sei aber nicht zu verkennen, dass die Deutschen in Bulgarien weitaus die erste Geige spielen und ein überlegenes Geschick entfalten. (Lorx führt als Beispiel an, dass der König den deutschen Militärattaché spontan nach Semendria mitgenommen habe. Laxa habe sich sehr ungeschickte Äußerungen über seine Gleichgültigkeit gegen bulgarische Orden zuschulden kommen lassen, die 2 bulgarische Prinzen hören mussten. Er hat noch keine Auszeichnung, obwohl er schon 2 Jahre Attaché ist; der Deutsche mit 6 Monaten ist bereits dekoriert. Details, aber bezeichnend!) - Über den Marschall äußert sich Lorx, er verstehe es sehr wohl, Einzelne zu gewinnen, sei aber sehr schüchtern und befangen, sobald er sich einer größeren Versammlung gegenüber sehe. Das treffen unsere Leute alle nicht. Erziehung, Bildung! - Schließlich erwähnt Lorx die Schwierigkeiten, die zwischen Kommandant und Generalstabschef (Berndt) der 4. Armee bestünden; er möchte Waldstätten gerne dort haben... Endlich meint er, Rohr solle Armeekommandant werden. Ich habe dies auch schon in Aussicht, will aber abwarten, was jetzt wegen der Offensive gekocht wird.

X
Tablet drehen