Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
04.01.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
4.1.1916

Bei der Inspektion hatte ich Gelegenheit, etwas die Meldungen vom R-Kriegsschauplatz durchzusehen. Gestern waren die russischen Angriffe hauptsächlich gegen die Front Toporoutz-Rarancze und gegen das VI. Korps gerichtet; ich habe den Eindruck, dass unsere Front genügend gefestigt ist, damit nichts Ernstes passiert; auch dann, wenn die Russen noch erheblich neue Kräfte in die Schlacht bringen sollten. Vorübergehend, und zwar vorgestern, scheint allerdings wieder eine gewisse Nervosität in der Armeeführung Platz gegriffen zu haben. Auch das AOK hat die ganze 40.LITD von der 2. Armee zur 7. verschoben, anscheinend ohne zureichenden Grund; die Meldung über das Auftreten einiger Regimenter (?).

An der I-Front entwickelten sich um das gestern von unseren Truppen genommene Grabenstück nördlich Dolje hartnäckige Kämpfe, die noch andauern. Gestern wurden 3 italienische Angriffe auf diesen Graben abgewiesen, heute ist nach heftiger Artillerievorbereitung ein neuer im Gange. Im Doberdòabschnitt die gewöhnlichen Handgranaten- und Minenwerferkämpfe. Malborgeth wurde aus 28 cm mit Pulvergranaten beschossen, von denen 75 % nicht explodierten.

Bei der 7. Armee alle russischen Angriffe abgeschlagen; es ist Ruhe eingetreten. - Kageneck und auch Fleck kommen in ihren Gesprächen immer wieder. auf Differenzen zwischen Conrad und Falkenhayn zurück; diese scheinen sich wegen der Verschiebung der 57.ITD noch verschärft zu haben und in deutschen Kreisen als sehr ernst betrachtet zu werden; anscheinend auch von dem Standpunkt, dass die Position Falkenhayns in Deutschland noch nicht so gefestigt ist (hat er doch den Widerstand aller übergangenen Generäle zu überwinden) wie jene Conrads bei uns, da wir überhaupt keinen anderen Mann haben. - Abends liegt eine Depesche Buriáns vor, die auf ein Friedensangebot Montenegros schließen lässt; Montenegro würde den Lovčen, Scutari, unser Spizzagebiet, Ipek, Djakova sofort abtreten. Von uns erfolgt „mit höchstem Gasdampf“ eine Antwort, dass das jetzt ausgeschlossen ist, weil die Aktion schon im Zuge sei. Ich glaube aber, die wirklich maßgebenden und führenden Männer (Tisza und Falkenhayn) sind über diese Sache schon einig und haben wahrscheinlich schon geplant. Wozu auch eine Operation, wenn uns Montenegro, woran in seiner Lage nicht zu zweifeln ist (es bietet auch ein Wirtschaftsbündnis an u.s.w.) die Garantien für eine sofortige Besetzung der abzutretenden Gebiete geben würde? Will man die Montenegriner zu einer verzweifelten Gegenwehr zwingen und die Okkupation des ganzen Landes herauf beschwören, die sehr viele, anderwärts fehlende Kräfte beanspruchen würde? Politiker sind wir nicht. - Auch die anderen höheren Kommandos sind auf diesem Gebiet Anfänger. Dies zeigt sich auch in den Reibungen zwischen Dankl und Toggenburg, die so einfach durch ein passendes Wort des Erzherzogs Eugen aus der Welt zu schaffen wären…

Habe die ganze Seeschlange in diesem Sinn erledigt, hoffentlich mit Erfolg.

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