Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
08.01.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
8.1.1916

Conrad kam heute früh zurück. Mittags diktiert er Kundmann in Anwesenheit von Metzger und Slameczka seine Vormerkungen und Erinnerungen über den gestrigen Ministerrat. Über dessen Ergebnis verlautet natürlich noch nichts. Dagegen erzählt mir Kless den Inhalt der sehr langen, weitläufigen, mit vielen Phrasen gewürzten Zuschrift des Chefs, die dem Ministerrat voranging. Conrad hält in der südslawischen Frage an seinem bisherigen extremen Standpunkt: Aufhören der staatlichen Existenz von Serbien und Montenegro, Vereinigung aller Südslawen in der Monarchie fest. Bezüglich Polens würde er einer mittleren Lösung zustimmen: Teilung Polens westlich der Weichsel zwischen uns [müsste heißen „Deutschland“] und der Monarchie. Was Italien betrifft, ist er mit Tisza einer Meinung; doch betont er, dass die italienische Frage erst nach der vollen Lösung der Balkanfrage in Betracht komme. - Lese einen großen Teil dieser Zuschrift selbst gelegentlich des Kollationierens; mir fällt auf, dass der Passus über Italien sehr bestimmt klingt; es scheint also bei den führenden Persönlichkeiten ausgemacht zu sein, den italienischen Krieg zu machen. Sehr auffallend ist es nur, dass keine Aussprache mit Falkenhayn stattfand!

Heute liegen mir Daten über die Gesamtverluste der Südwestfront vor; seit Kriegsbeginn bis 15.12. in runden Zahlen (Tausend) : Blutige Verluste 139, Kranke 106, Vermisste (Gefangene) 33, zusammen 278, nach Abrechnung der Zurückgekehrten etwa 200. Auffallend ist die ziemlich große Zahl der Vermissten; diesbezüglich verfasste ich übrigens unlängst einen Befehl, von dem ich mir doch eine geringe Besserung erhoffe. Im Großen und Ganzen sind die Verluste für 7 Monate Krieg und 4 große Schlachten bescheiden; man denke an die Herbstsau!

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