Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
17.01.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
17.1.1916

Die Montenegrinische Regierung hat in die - wie sie sagt - schweren Bedingungen des AOK eingewilligt. Demgemäß wurden heute Nacht die Weisungen für die Durchführung der Waffenstreckung festgesetzt. Vormittag besucht uns Lorx, um über seine Eindrücke von der Fahrt nach Nisch zu erzählen. Er hatte dem Generalfeldmarschall Mackensen das MVK in Brillanten zu überbringen; sah bulgarische Truppen sowohl auf dem Exerzierplatz, wo sie für die Parade vor dem Deutschen Kaiser übten, als auch auf Transporten. Sie machten überall den besten Eindruck: stramme, gesunde, fröhliche Leute. Über die Offiziere, vor allem über den Generalstab wird seitens des deutschen Generalstabes geklagt; vor allem verstehen sie nichts von der Etappe. Jetzt sind überall deutsche Generalstäbler eingeteilt und die Sache klappt besser. Gleichwohl sind ungeheure Schwierigkeiten zu überwinden; General Seeckt betont, er habe sich das nicht so vorgestellt und habe manches von Konopicky, den die Deutschen anfangs nicht recht einschätzen wollten, gelernt. Die Vorrückung gegen Saloniki geht wegen der elenden Wege und Nachschubverhältnisse so langsam vor sich. - Auf diesen Punkt kommt auch General Metzger gelegentlich des Mittagsreferates zu sprechen. Er sagt, er habe leider sehr schlechte Nachrichten über das Fortschreiten der Salonikioperation; sie könne erst zu Beginn des Frühjahrs, das heißt dort Ende Februar losgehen! Ich sage, man sei nun berechtigt anzunehmen, dass die Südwestfront im Frühjahr mit ihrem bis dahin zu erreichenden Stand halten wird können. Er meint, stärkere Kräfte dürften wohl in nächster Zeit nicht frei werden können; vorerst sei nur eine Gebirgsbrigade in Sarajewo in Retablierung begriffen; das AK. werde speziellen Auftrag bekommen, sich ihrer Ausbildung anzunehmen. Also keine besonderen Aussichten für eine Offensive!

Nachmittags sagt mir Kageneck, den ich auf meinem Spaziergang begegne, die Verstimmung zwischen Conrad und Falkenhayn sei nach wie vor tiefgehend. Es handelt sich noch immer um die 57. Division, deren Abziehen von den Bulgaren direkt als Treuebruch betrachtet wird. Falkenhayn ist daher trotz aller Erfolge gegen Montenegro (oder vielleicht gerade wegen derselben!) pikiert…

Italien: Nach der Mittagsmeldung ging der Kirchenrücken von Oslavija wieder verloren, und zwar merkwürdigerweise am 15.! Das muss doch aufgeklärt werden; gestern mittags die spezielle Bitte des Kommandos der Südwestfront, unseren Waffenerfolg in allen Einzelheiten zu veröffentlichen und heute diese Blamage!

Natürlich gaben wir im Pressebericht die an sich bedeutungslose, wegen des öffentlichen Geschreis aber unangenehme Tatsache offen zu. Abends schon meldet das Kommando der Südwestfront, dass es die erste Nachricht über die bereits am 15. erfolgte Räumung des Kirchenrückens erst am 16. 4 Uhr nm., zufälligerweise infolge eines telefonischen Gesprächs zwischen 2 Generalstabsoffizieren erhielt. Die dienstliche Meldung der 5. Armee langte erst am 16. um 815 nm. ein. - Auf Grund der neuen „Feindnachrichten“ gebe ich ins Abendresümee folgende Beurteilung der feindlichen Streitkräfte: „Da das italienische Heer an der „österreichischen Front“ jetzt noch einen Standesabgang von höchstens 120.000 Gewehren haben dürfte, bis Mitte Februar aber aus den November und Dezember Einberufungen mindestens 400.000 Ausgebildete verfügbar werden, so ist damit zu rechnen, dass im Frühjahr 1) die ganze österreichische Front trotz der Aufstellung und einer eventuellen erheblichen Verstärkung des albanischen Expeditionskorps auf vollem Kriegsstand sein kann; 2) reichlicher Mannschaftsersatz für die Verluste bei einem neuen Angriff und nach einem solchen zur Verfügung stehen wird. (Nach Deckung der laufenden Abgänge und Dotierung des speziellen Korps mindestens 200.000 Mann). Noch nicht einberufen sind von den Altersklassen bis zu 40 Jahren 600.000, von den weiteren bis zu 50 Jahren 400.000 Mann; überdies der Rekrutenjahrgang 1897 (die 19 jährigen).“ Aus diesen Zahlen ergibt sich die Bedeutung des italienischen Feindes im Weltkriege. Er kann noch einige Zeit aus dem Vollen schöpfen. - Was das spezielle Korps in Albanien betrifft, wird es immer wahrscheinlicher, dass es nicht aus geschlossenen Verbänden, sondern aus kombinierten Truppen gebildet wird. -

Es liegen nun die von Oberst Leidl verfassten Entwürfe vor, über die sich heftige Debatten entspinnen. Ich bin für die einheitliche, allerdings kostspielige Erziehung in Akademien gegen das Hinausgeben der Jünglinge während ihrer Schulausbildung zur Truppe und für eine gründliche Ordnung der Sprachenfrage auf der Basis, dass Deutsch und Ungarisch unbedingt vorherrschen.

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