22.1.1916

Tagebucheintrag von
Karl Schneller

Erklärung

22.1.1916

Heute fährt Slamecka nach Cetinje. Wie ich höre, geht die Waffenniederlegung ohnedies ganz glatt vor sich; nur wollen die Montenegriner nicht aus ihrem Lande; hoffentlich wird man sich da entgegenkommend zeigen. - Das Interessanteste aus den Depeschen Sonninos: Vom 16.: Der Geschäftsträger in London drahtete, der Chef des Marinestabes - habe jede Absicht einer Besetzung Corfus als ausgeschlossen dargestellt, es sei ohnedies bereits „troppo carbone al fuoco“. - Ein Detachement von uns nähert sich bereits dem Tarabos. Morgen dürfte der „friedliche Vormarsch“ in Montenegro beginnen.

Bei uns wenig Neues. Gestern lebhaftere Artilleriekämpfe auch an der Isonzofront, da sich das Wetter gebessert hat. Die Nachrichten über intensive Rüstungen Italiens für das Frühjahr mehren sich. Als die wichtigsten - mögen sie auch noch der Prüfung bedürfen - sind hervorzuheben: Die Aufstellung neuer Infanterieregimenter (möglicherweise 20), neuer Bersaglieriregimenter (3?) und neuer Alpinibataillone (noch in den Depots, Anzahl unbekannt); die Formierung neuer Infanteriedivisionen (angeblich 5, die allmählich im Raum von Mantua versammelt werden sollen) ; die Beschaffung neuer schwerster Geschütze (325 mm) für die Isonzofront. (All dies in K- und sonstigen Nachrichten der letzten Zeit enthalten; sage es im Resümee, damit „man“ sich wieder einmal des Ernstes auf diesem jetzt so stillen Kriegsschauplatze erinnert.

Der Versöhnungsbrief Conrads an Falkenhayn geht heute abends ab.

Auch nach der Abendmeldung im Südwesten nichts Neues. Die italienischen Unterabteilungen an der Isonzofront sollen noch immer beträchtlich unter dem Stand sein. - In mir setzt sich immer mehr der Gedanke fest, die Offensive gegen Italien anschließend an den bestimmt zu erwartenden italienischen Angriff im Görzischen anzustreben. Nur auf diese Art, das heißt wenn wieder 2/3 der italienischen Armee an der Isonzofront erwiesen sind, kann es gelingen, die Überlegenheit der Zahl auszugleichen.

Auf dem russischen Kriegsschauplatz, von lokalen Angriffen bei der 7. Armee abgesehen, nichts Neues. - Abends: Früh ins Bett, da wieder Theater mit Weibern.

Auf den Spuren der Wahrheit