Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
30.01.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
30.1.1916

Die deutsche Stimmungsmache über deroute Zustände in Italien dauern fort. Kageneck erzählt unaufhörlich darüber, sodass ich nicht umhin kann, ihm heute zu sagen, das alles käme aus Berlin! Vormittag bitte ich auch Metzger der Presse anzubefehlen, dass diese Schauernachrichten bei uns aufhören; es wird geschehen. Meine Notizen gibt er heute dem Chef. Ich habe noch Gelegenheit, hervorzuheben, dass ich den Angriff auch mit wesentlich schwächeren Kräften für möglich und für erfolgversprechend halte; jedenfalls aber für viel besser als das bloße Zuwarten auf eine neue Isonzooffensive. Gestern regte ich eine vorübergehende Postsperre gegen die Schweiz an; Hranilović sagt mir, die Sache werde morgen beginnen. Natürlich nur zum Zweck, dass es weniger auffällt, wenn die Sache wirklich kommt. - Auf der Stiege sprach mich Chef an. Er sagt, er habe neuerlich wieder tüchtig gekämpft, Falkenhayn aber sei bockig gewesen; und dies zwar wahrscheinlich hauptsächlich aus dem Grund, weil Deutschland fürchtet, dass wir zu groß wären. Auch in Polen hat Deutschland zu Beginn des Krieges „nicht ein Dorf“ haben wollen, jetzt aber spreche es ganz anders. Ich meine, dass der italienische Krieg trotzdem kommen werde, weil er für uns eine Notwendigkeit ist und auch schon in der Luft liegt. - Der Antrag des LVK in Tirol wegen Auflassung der Festung Trient wird im Prinzip genehmigt; das AOK wird aber die Festungsartilleriemannschaft für Formierung moderner Batterien ausnützen. Übrigens habe ich heute auch Metzger gebeten, dass der Südwestfront wieder in artilleristischer Hinsicht mehr Aufmerksamkeit geschenkt werde. - Bezeichnend ist eine uns gestern zugegangene Meldung aus Bozen an die Nachrichten Abteilung über Aufträge, die der italienische Generalstab einer für uns arbeitenden Doppelspionin gegeben hat: Er interessiert sich, ob deutsche, bulgarische und türkische (!) Truppen in Tirol sind, dann um Truppentransporte durch Gries. Wir sagen: Von Bulgaren und Türken nichts zu hören, in Tirol alles ruhig, „bei einem 10.AK.“ mehrere deutsche Offiziere, Militärtransporte durch Gries zahlreich. -

In der heutigen Morgenzeitung steht auch ein Artikel über eine Zuspitzung der Lage in Rumänien („Korrespondent des Berliner Tageblattes aus Sofia!), „dass wohl informierte Kreise von den Verhältnissen in Rumänien sowohl in wirtschaftlicher wie in militärischer Hinsicht einen immer unbefriedigenderen Eindruck gewinnen. Es würden nicht nur die Getreidepreise in die Höhe getrieben, sondern auch die rumänischen Waggons mit den Ankäufen der Entente derart belastet, dass die Ausfuhr der von Österreich-Ungarn und Deutschland angekauften Getreidemengen auf Schwierigkeiten zu stoßen droht.“ Also eine direkte Drohung, ein Scharfmachen. General sagt mir; die Sache sei hier recht unwillkommen. (Ich vermute 2 Gründe: Entweder will man in Deutschland den Krieg gegen Rumänien, um uns, die wir zu groß werden, ein neues Gegengewicht zu schaffen, oder aber - Bulgarien drängt zu diesem Krieg, um sich auch von Rumänien etwas zu holen. Halte aber das Erstere für wahrscheinlicher).

Nach dem Rapport gibt mir Metzger die Notizen zurück und sagt, Chef habe die Sache anders aufgefasst und eine lange Bemerkung dazu gemacht, die sich auf Einzelheiten der Durchführung (!) beziehen. („Kurz gesagt, bei diesem Offensivstoß ist nicht die ohnehin klar auf der Hand liegende Idee, sondern die bis ins kleinste überlegte, vorbedachte und vorgesorgte Durchführung die Hauptsache, das Entscheidende. Da vielleicht diese Vorsorgen an eine längere Dauer gebunden sind, man vor allem auch diese Dauer feststellen müsse (p.d. ist längst geschehen!), um mit der Ausführung rechtzeitig zu beginnen, ist dies alles schon jetzt zu überdenken und festzulegen; außerdem sind aber jene Vorbereitungen (Rekognoszierungen, Wegeherstellungen, u.s.w.) jetzt schon durchzuführen (sic !), welche für jeden Fall getroffen werden können. Das hat zu geschehen und ist mir dann eingehend darüber zu referieren.“ - Er hat sich offenbar geärgert und darum so viel geschrieben; im Schreiben ist er ja groß. Dabei ist die Durchführung doch ganz Sache der Unterorgane. Und gar das Takzieren - das gehört den Leuten draußen, die übrigens moderne Taktik machen! - Metzger meint auch, eine große Schwierigkeit bei der Durchführung der I - Sache wird darin bestehen, dass Conrad alles im Detail kennen und daher selbst leiten will; dem gegenüber müsse aber streng an dem bewährten Grundsatz festgehalten werden, dem Führer seine Aufgabe zu sagen, ihm die Kräfte dazu zu geben und ihn dann in Ruhe lassen. Da kann ich natürlich nur sehr zustimmen; gleichwohl aber heißt es, das gewünschte Referat befehlsgemäß verfassen. Daher abends Besprechungen mit Pflug und Pichler. Mit der von mir vor Monaten beantragten Regelung der Kommandofrage scheint Metzger bereits einverstanden.

Durch die Deutschen höre ich, dass das Große Hauptquartier am 10. Februar nach dem Westen geht.

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