Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
24.02.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
24.2.1916

Beim Frühstück erzählt mir Hranilović, dass bisher in der ausländischen Presse nichts zu finden sei, was darauf schließen lassen könnte, dass die italienische Heeresleitung von unseren Maßnahmen schon irgend etwas bemerkt hätte. In Wien habe er von einem höheren Offizier „vertraulich“ gehört, dass in nächster Zeit, nämlich im März ein großer Vorstoß längs der Meeresküste bevorstehe. Auch Schamschula, der von Wien und Pest zurückkam, sagt mir, niemand habe über die I-Sache gesprochen. Bisher habe ich den Eindruck, dass Cadorna nichts weiß. Ich werde dafür sorgen, ihn auch weiter gründlich anzuschmieren. - Gestern abends - das muss ich noch nachtragen, - beim Nachtmahl interessante Erörterungen über die Chancen und Gefahren unserer Offensive. Namentlich Schneider hält letztere für sehr groß und bezeichnete das Ganze als unsere letzte Kraftanstrengung; wenn die misslinge sei der Krieg verloren. Ich betone darauf nur, dass es daher umso nötiger sei, alles für diese Entscheidung heranzuführen und vorzubereiten. Übrigens bin ich den rein rechnungsmäßigen Argumenten für die Möglichkeit, unseren Absichten zu parieren, nicht zugänglich; die Psychologie des Krieges und der Bedrohung der Rückzugslinie spielt doch auch eine Rolle! -       Früh bespreche ich die verschiedenen laufenden Angelegenheiten bei der Quartiermeister Abteilung und mit Ratzenhofer. Es wird alles in meinem Sinne gemacht. Bei Ratzenhofer bekomme ich einen Kalkül zu sehen, der schon ziemliche Übersicht über die Eintreffzeiten gibt. Es dürften in Tirol eintreffen: Die Material- und Artillerie-Transporte bis 22.3., die 57. bis 10.3., die 59. bis 12.3., 3. bis 8.3.; die russischen Verbände recht bald, etwa in einer Woche. Das III. Korps: noch unbestimmt, hängt von Materialtransport ab, dürfte aber voraussichtlich ab 10.3. recht dick kommen. Die 48. geht langsam, kann aber bis 18.3. da sein. Die beiden Gebirgs Brigaden vom Balkan bis 24.3. - Nach diesen Eintreffzeiten kann es also ohne Gefahr einer zu gedrängten, andauernden Unterbringung der Truppen bei unseren Versammlungsräumen bleiben.

Nachmittags eine lange Depesche Zillers über alle möglichen Reibungen die sich bei der Versammlung ergeben. Diese Reibungen scheinen hauptsächlich dadurch herbeigeführt worden zu sein, dass das LVK - sei es aus unzureichender Orientierung durch das Kommando der Südwestfront, sei es aus der Absicht, etwas anderes zu machen als befohlen wurde - damit kokettiert, Teile seiner Armee, und zwar vor allem das III. Korps (auch nach dem 1. März) im Etschtal zu versammeln, andere Teile in den Nonsberg und in das Fleimstal (Direktion Rolle?) zu schieben. Ziller hughesiert mir abends ausdrücklich, dass alle Befehle des AOK. vollkommen klar sind, dagegen aber in Bozen und Marburg abweichende Auffassungen bestehen. Um 9 Uhr etwa lässt mich Waldstätten zum Apparat rufen, um mir seine Schmerzen zu klagen. Sein ganzes Gespräch läuft darauf hinaus, dass das LVK nicht „voll“ orientiert ist. Ich vermute, dass Marburg richtigerweise, unserem Befehl entsprechend, an Bozen nur das Notwendige weitergegeben hat; und Waldstätten nun nach dem Goethe-Wort handelt: „Zwar weiß ich viel, doch möchte ich alles wissen.“ Dafür bin ich aber nicht zu haben; ich lasse keinen Zweifel darüber, dass die Befehlskompetenzen eingehalten werden müssen und auch in der Sache begründet sind. Vor allem aber vergewissere ich mich über die wesentlichen Punkte, die für die Ordnung grundlegend sind: 1) dass das LVK bis 1.März die Versammlungsräume für alle nördlich S. Michele ausladenden Transporte zu bestimmen und für deren Versorgung zu sorgen hat; 2) dass diese Truppen und Trains nach dem 1. März in die vom AOK angegebenen Versammlungsräume zu rücken haben; 3) dass nach dem 1. März jeder so nahe als möglich an seinem Versammlungsraum ausladet. Im übrigen verweise ich darauf, dass in Marburg anzufragen wäre, wenn noch Unklarheit besteht. – Wieder bis ½ 12 Verhandlungen bei General, der endlich mein Konzept annimmt, das Ziller Unterstützung geben und Ordnung schaffen soll.

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