Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
11.03.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
11.3.1916

Früh fragt mich Kundmann wegen Abreise des Erzherzogs Karl. Dieser möchte am 15. von Wien abreisen, um noch seinen Stab rechtzeitig kennen zu lernen. Er habe große Freude über die ihm vom Kaiser erteilte Bewilligung und will nun verhindern, dass Montenuovo den Kaiser wieder umstimmt. Ich sage Kundmann, dass die Korpskommandos ab 15. funktionsbereit sind; nur die Geheimhaltung spreche für eine möglichst späte Abreise. Auch empfehle es sich, dass der Erzherzog nicht auf der Linie Wien - Salzburg, sondern über Marburg oder Leoben fahre, und jedenfalls müsse er sich der Kriegsfahrordnung anpassen. - Nun kommt das „Panik“-Telegramm wegen des Wetters. Das LVK berichtet, dass die außerordentlichen Schneemassen voraussichtlich vor 4 Wochen nicht zusammengeschmolzen sein dürften und daher eine Bewegung der Infanterie in Gefechtsform (vorher) unmöglich sein wird. Das heißt auf gut deutsch: „Ich hab's gesagt, ich habe die Verantwortung abgelehnt.“ Immerhin kann wegen dauerndem ungünstigen Wetter eine große Verzögerung eintreten. Für diesen Fall werden wir dafür zu sorgen haben, dass sich nicht die Truppen frühzeitig auf den Plateaus zeigen, dasselbe für Demonstrationen größeren Umfanges an der küstenländischen Front; endlich für die Versorgung der versammelten und wartenden Kräfte.

Über die Türken wurde Falkenhayn geantwortet: „Die ursprünglich zugesagten 6 türkischen Divisionen wurden unter dem Zwang der Verhältnisse vorerst auf 2 Divisionen und nunmehr auf eine Division reduziert. Diese Division hat 9 Bataillone, 16 unbespannte Geschütze, keine Trains und einen bescheidenen, für den Angriff jedenfalls nicht ausreichenden Gefechtswert. Die großen Beistellungen, welche unsererseits geleistet werden müssen, die von den Türken beanspruchten Kompensationen, die schwierige Heranführung und die sehr beschränkte Verwendungsmöglichkeit dieser einen Division lassen mir den Aufwand nicht im rechten Verhältnis zum Ergebnis erscheinen und führen mich zum Entschluss, auf diese Division umso mehr zu verzichten, als die Türkei ihre Kampftruppen nach der Gesamtlage selbst dringend brauchen wird. Falls E.E. den Abtransport der deutschen 22. ID. für unerlässlich erachtet, bitte ich mich davon zu verständigen. Für Ersatz würde ich innerhalb der Heeresgruppe Linsingen sorgen.“

Nachmittag telefonisches Gespräch mit Hauptmann Liebl, dem Automann, der den Transport der 42 cm Haubitze leiten soll. Er sagt, in 14 Tagen werde er die Sache bestimmt bewältigen; von einem Sperren der Straße könne keine Rede sein. Das Geschütz hat 23 Lasten (davon zwei besonders schwere zu 18 und 26 t; die Fricca-Straße hat aber bereits 30 t ausgehalten). Transportbeginn 14.3., Transportdauer 14 Tage. Unsere Entscheidung lautet nun: „AOK. weiß Schwierigkeiten infolge bisheriger Ungunst der Witterung zu würdigen, erwartet aber unter allen Verhältnissen volle Anspannung der Kräfte, namentlich für das Hinaufschaffen der schweren Artillerie. Über Straßentransport entscheidet LVK nach Anhören des demnächst an Ort und Stelle eintreffenden Hauptmannes Liebl, der wenn nötig nochmals rekognoszieren und gegebenen Falles den Transport leiten wird.“ - Ich halte diese Entscheidung für richtig, weil wir nicht an Ort und Stelle sind und daher die Verantwortung weder in dem einen noch in dem anderen Sinne übernehmen können. Wahrscheinlich werden jetzt mehrere derartige „Witze“ vom LVK kommen; wir werden alle in gleicher Weise kühl bis ans Herz hinan, erledigen.

Über Verdun sagt mir Fleck, er habe Nachricht, dass es hart, sehr hart, aber gut gehe.

Abends kommt Fleischer wieder zu mir. Es ist ein wahrer Segen für die Sache, dass wir den Mann nun haben; er ist klar und konkret und mit Feuereifer dabei. Nach seinem jetzigen Graphikon werden zur Stelle sein: (3 ITD ist schon da) Am 18.3.: 28., 59.; am 22.3.: 18., 57.; am 24.3.: 22.; am 25.3.: 6., 48. - Am 25.3. soll also die ganze 11. Armee versammelt sein. Wir besprechen uns das Weitere. Nachher werden täglich etwa 15 Materialzüge laufen müssen. Bis 10.4. können dann voraussichtlich die 44.L. und beide Gebirgsbrigaden eingetroffen sein, dann erst kann das vom russischen Kriegsschauplatz eintreffende Korps anschließen, das sich ziemlich lange, mit 3. ITD. bis zum 20. 4. ziehen dürfte. Ich sage Fleischer, er möge auch erwägen, wie sich der Transport einer ITD nach der Isonzofront gestalten würde, der eventuell in näherer Zeit notwendig werden könnte, wenn sich hier eine Schlacht entwickelt oder wir größere Demonstrationen brauchen. Ich will nämlich unbedingt beim Abtransport der bestimmten, für den Gebirgskrieg geeigneten Armeekörper, das heißt also bei unserer Absicht bleiben.

In der Abendmeldung ist es sehr auffallend, dass die Kärntner Front von den Italienern stark beschossen wird. Auch gegen den Görzer Brückenkopf war zeitweise ein sehr lebhaftes Feuer gerichtet. Sollten unsere Täuschungsmaßnahmen schon wirken?

Abends noch interne Besprechung über die Frage, angesichts des schlechten Wetters die Massentransporte des III. Korps und der 18. ITD zu stoppen, um die 11. Armee nicht früher zu versammeln, als der bereits offenbar verzögerte Artillerie Aufmarsch fertig ist. Ich bin der Auffassung, dass dies vom eisenbahntechnischen Standpunkt nicht möglich ist und habe überdies Bedenken, diese Truppen länger an der Isonzofront stehen zu lassen, weil sie dann sicherlich in eine eventuell beginnende Schlacht verwickelt würden. Kurz, ich bin für die Erhaltung des operativen Gedankens in seiner vollen Reinheit, und bin nicht gesonnen, den Drohungen des feindlichen Partners gleich nachzugeben.

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