Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
15.03.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
15.3.1916

Hranilovič teilt mir mit, dass die Konfidentin, die über Hughesstreifen der italienischen Kundschaftstelle in Chiasso übermittelt, in Feldkirch eingetroffen sei und folgende Aufträge des italienischen Generalstabes habe: „Welche österreichischen Regimenter sind in Tirol? Sind deutsche, türkische oder bulgarische Truppen dort?“ Da unser 4. Streifen, der auf den Angriffsbeginn 15. 4. an der Kärntnerfront schließen lässt, noch nicht drüben ist, entschließe ich mich, erst diesen überbringen zu lassen. Die Konfidentin soll sagen, sie könnte die gewünschten Dinge noch nicht in Erfahrung bringen, dann aber nach Feldkirch zurückkommen. Hierauf will ich sie verhaften und eine Nachricht darüber dem italienischen Generalstab zukommen lassen, sodass man dort glaubt, sie habe tatsächlich wichtiges verraten. - Die Fragestellung an die Konfidentin ist auffallend, lässt aber noch nicht unbedingt auf Kenntnis der Tiroler Verschiebungen schließen, da eine ähnliche Frage schon vor Monaten einmal gestellt wurde.

Erzherzog Karl, zum Feldmarschallleutnant und Vizeadmiral ernannt, ist in Marburg eingetroffen; sandte von dort ein Telegramm an den Marschall, worin er seine Wünsche und Hoffnung, sowie der Freude Ausdruck gibt, nun selbst aktiv mitkämpfen zu können.

Nach Mittagsmeldung geht Kampf an Isonzofront weiter; gestern Nachmittag Feind auf Podgora im Handgemenge abgewiesen, abends Angriff bei M. abgeschlagen. Auffallend ist mir jedoch der geringe Munitionsverbrauch, der Pflugs Evidenz zu entnehmen ist.

Nachmittags eine Unmenge von „Einläufen“. Vor allem wieder eine Klage über die Verzögerung des Artillerieaufmarsches durch die Witterung und die Kommunikationsverhältnisse. Pichler behauptet, der Artillerieaufmarsch könne sich bis zum 10. April verzögern. Das Kommando der Südwestfront sagt, diesen Verhältnissen sei durch unsere Befehle schon Rechnung getragen, hält aber zur Verschleierung eine Verzögerung der Abtransporte doch für erwägenswert. Unsere Antwort lautet: „AOK vermag Änderungen in der großen im Gange befindlichen Transportbewegung nicht in Aussicht zu nehmen, hat daher seinen Befehlen nichts Wesentliches hinzuzufügen und erwartet nun von der Energie des 11. AK, dass der Bedeutung des Zeitmomentes durch volle Anspannung der Kräfte für Straßenherrichtung, Artillerie Aufmarsch und Materialvorbereitung Rechnung getragen wird. Was an Verschleierung verloren gehen sollte, wird durch die Wucht des Angriffes zu ersetzen sein.“ - Dies ist meine Auffassung der Lage. Ich beabsichtige nun erst recht die ganze 3. Armee so rasch als möglich heranzubringen. Am 18. dürfte ich Klarheit gewinnen, was die Etappe nach dem Aufmarsch der 11. noch braucht und was die Bahn dann leisten kann. Heute schon spreche ich mit Fleischer über die weiteren Ziele der Eisenbahnbewegungen; er sagt mir unter anderem, es könne notwendig sein, schon ab 20. 3. mehrere Züge ins Pustertal zu liefern, eventuell durch die 44. LITD.

Ansonsten an wichtigen Einläufen: Die allerhöchste Resolution, die alle unsere Umgruppierungen der Streitkräfte im Südwesten, hervorragende persönliche und sonstige Verfügungen, ganz wie im Vortrage erbeten, genehmigt. - Dann ein langer Bericht des Flottenkommandos, den ich morgen erledigen will. Er gipfelt in der Bitte, von der der Flotte zugedachten Aktion abzusehen. Bezeichnend und für spätere Etatsforderungen der Marine grundlegend ist der im Anschluss an die Gefahr der Uboote und Minen geschriebene Satz: „Dass Nichtstun unter solchen Umständen für Schlachtschiffe das einzig Vernünftige ist, muss man den Mut haben, offen auszusprechen. Für uns, für die so viel auf dem Spiel steht gilt dies noch in höherem Grade und in weiterem Sinn, als für unseren viel stärkeren Feind.“ Die Abendmeldung spricht wieder von „keiner besonderen Gefechtstätigkeit an der Isonzofront“. Auffallend dagegen ist eine Verstärkung der Besatzung der feindlichen Stellungen auf dem Neveasattel und neuerliches Geschützfeuer gegen den Fellaabschnitt. Unsere Täuschungsmaßnahmen scheinen also doch gewirkt zu haben?! - Weiters ist es aber sehr auffallend, dass die 5. Armee in den jetzigen immerhin als ernst geschilderten Kämpfen fast gar keine Munition verbraucht! Da wird es notwendig werden, klar zu sehen, auf Deutsch gesagt, jemanden von der Südwestfront an die Front zu jagen, der sieht was los ist und ob Bosko die Wahrheit spricht...

Major Rohrscheidt, der deutsche Verbindungsoffizier in Marburg, ist hier. Er war in Mezières, wurde aber - vom deutschen Nachrichtenchef abberufen - von Falkenhayn wieder zurückkommandiert. Wie ich höre, hat ihn Conrad tüchtig eingeseift. Ich auch! Solange es am Isonzo weitergeht, ist das ja nicht schwer.

Von der russischen Front höre ich, dass die Russen etwas bei Wilna planen. Umso besser für uns! Die Deutschen haben übrigens anscheinend das Alpenkorps schon à portée gestellt.

Mit den Bulgaren andauernd ernste Schwierigkeiten. Nur aufpassen, dass da kein Unsinn geschieht, denn zu großen Entscheidungen auf dem Balkan haben wir nicht mehr die Kraft.

In der Frage der türkischen Division ist eine „neueste“ Wendung eingetreten. Man will sie uns nun um jeden Preis anhängen; Enver würde es politisch sehr unangenehm empfinden, wenn sie nicht kämen, da die Entente mit ihrem Auftreten auf europäischem Kriegsschauplatz rechnen und im Unterbleiben des Transportes eine Wirkung der russischen Offensive sehen würden. Auch General Bronsart ist unangenehm berührt. Und sogar 2 Divisionen, nicht nur eine sollen wir bekommen.... Da steckt etwas dahinter. Entweder braucht Falkenhayn die Türken, um weitere Kräfte aus der russischen Front herauszuziehen, oder er will uns durch sie politisch im Schach halten. Übrigens wurde der Türken Transport in der Türkei angeblich bereits als Rettung der Monarchie empfunden....

Noch vor dem Schlafengehen ergänzende Nachrichten über den Feind, die erkennen lassen, dass er nun etwas gemerkt hat und dass Umgruppierungen im Zuge sind. Gefangene sagten aus, nun solle Tirol Hauptkriegsschauplatz werden; andere sprechen von einer Verschiebung stärkerer Kräfte gegen Kärnten. Morgen wird das verarbeitet werden; denke schon daran, die vorbereiteten Demonstrationen (bei 10. und durch scharfe Befehle auch bei 5. Armee, dann Flieger und soweit möglich Marine) für den nächsten günstigen Zeitpunkt anzuordnen. Morgige Mittagsmeldung dürfte volle Klarheit über Charakter der Kämpfe am Isonzo bringen.

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