Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
29.03.1916
Wählen Sie aus:
Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
29.3.1916

Abends erst komme ich dazu, die Eindrücke dieses Tages festzuhalten. Großes war eigentlich nichts los, aber sehr viel Kleinarbeit, die jetzt überhaupt derart überwiegt, dass man achtgeben muss, darob die großen Dinge nicht zu übersehen. Schon in den letzten Tagen habe ich einige Chiffretelegramme des deutschen Verbindungsoffiziers, Major Rohrscheidt, beim Heeresgruppenkommando halbwegs entziffert. Den neueren Telegrammen ist zu entnehmen, dass der einfach alles weiß. dem Dementsprechend ein nicht misszuverstehender Befehl an das Heeresgruppenkommando, der größte Zurückhaltung empfiehlt. Auch mit der weitgehenden Orientierung des Generals Seeckt bei der Heeresgruppe, Mackensen wird gebrochen. Salis sandte mir eine längere Hughesdepesche wegen der Fliegerunternehmung, worin er mitteilt, dass von den Tiroler Fliegern nicht mehr alle mittun werden, weil ein Teil bereits für die Artillerie Aufklärung und Beobachtung dringend gebraucht wird, weiters setzt er seine Ansichten über die Ziele der Fliegerunternehmung auseinander. Beim Heeresgruppenkommando erachtet man noch immer die Brücken und überhaupt die kleinen Objekte als lohnende Ziele. Ich erkläre Salis meine Auffassung, dass die großen Bahnhöfe (insbesondere Heizhäuser, Wasserwerke, Stationsgebäude u.s.w.) erfolgversprechender sind; überdies rede ich über die ganze Sache mit Uzelac, der sich heute in Triest (Seeflugzeugstation) befindet und meine Auffassung teilt, dass es bei einem solchen Aufgebot von Fliegern auf eine extreme Konzentrierung der Kräfte nicht ankommt. U. sagt, er werde wieder losgehen, sobald das Wetter dies erlaubt, und zwar nicht unbedingt mit allen Geschwadern auf einmal.

Sonstiger Gesamteindruck des heutigen Tages: An der kärntnerischen Front ist es ruhiger geworden, am Doberdóplateau drückt der Feind östlich Selz. Von allen Seiten werden intensive Befestigungsarbeiten der Italiener, auch hinter der Front, gemeldet, Wir geben dies - nicht ohne spöttischen Beigeschmack -, auch ins Communiqué. - Mittags war Wiesner bei uns; ich war gerade abwesend, Kless erzählte mir aber, er hätte gemeint, die jetzigen Pariser Beratungen trügen ausgesprochen den Charakter von Verhandlungen über den Frieden. Russsland sei ganz apathisch, Frankreich und Italien schüren noch und denken an „Rettung des Vaterlandes“, England wittere, dass es schief geht und bereite seine Entschlüsse vor. Leider sei unser Nachrichtendienst unzureichend, man wisse eigentlich nichts Näheres über die Dinge, die dort vorgehen. Vielleicht hängt die Bemerkung, die der Chef unlängst machte, es sei hohe Zeit für die I-Offensive, damit zusammen. Nun wir kommen schon noch zurecht. Und ich werde trotz aller Anfeindungen Recht behalten. Die Sticheleien von allen Seiten, insbesondere von Schneider, dauern fort. Gelegentlich sagt er wohl auch: Die „I Menschen“ können nichts dafür, sie machen ja nur, was befohlen wird (!). Ein anderes Mal, wir hätten nichts zu tun, als zu debattieren; der Fliegerraid sei ein Unsinn, das heutige Communiqué auch u.s.w. u.s.w. Ursache von alledem? Was habe ich ihm angetan? Auch ein Beitrag zur Psychologie. -

Die bulgarische Sache ist heute endlich erledigt worden, und zwar durch Intervention Falkenhayns. Ich konnte in diese Verhandlungen wegen meiner sonstigen Arbeiten keinen Einblick gewinnen und höre jetzt nur, dass wir Djakova und Elbassan, die Bulgaren Prizren und Priština behalten sollen. -

Chef fährt heute abends nach Wien. Morgen Audienz wegen Uniform, (Slameczka mit den neuuniformierten Leuten bereits früher abgegangen), dann wegen der Fahnen-, Wappen- und Emblemenfragen (in der Chef auf dem Standpunkt strenger Einheitlichkeit steht), endlich auch - wie ich höre - wegen Differenzen mit dem Ministerium des Äußeren.

X
Tablet drehen