Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
31.03.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
31.3.1916

Heute in Morgenzeitung Meldung der Stampa, dass Italien zu Friedensverhandlungen geneigt ist, England davon nichts wissen will, und dass sich Asquith und Kitchener nach Rom begeben. Auch nach den sonstigen Nachrichten scheint die Situation in ein kritisches Stadium getreten zu sein. Es heißt nun aufpassen, dass es nicht vorzeitig zu Verhandlungen kommt, was umso leichter möglich ist, als die Deutschen über unsere Absichten gegen Italien orientiert sind. Werde heute klarzustellen trachten, ob unser Ministerium des Äußeren von Conrad über die bevorstehende Aktion informiert ist; wenn nicht, so müsste dies sofort geschehen. Unsere Sache ist also gut temperiert. Was werden die Schimpfer nun sagen?

Heute früh trifft die Meldung über die Lage der Heeresgruppe bis 30.3. früh ein. Bei der 11. Armee hat sich nichts geändert. Auf Plateau waren bis zu diesem Zeitpunkt 37 4/2 schwere Batterien hinauf gebracht; die Materialförderung ist andauernd gut. Von der 3. Armee ist das XXI. Korps so ziemlich beisammen, das I. hat eine Division vollständig ausgeladen. (Ich denke schon jetzt daran, weitere Kräfte vom Isonzo heranzuführen; nach der Eisenbahnsituation könnte dies um den 7.April beginnen). - In Tirol vollständige Ausheiterung, schönes, klares, aber kaltes Wetter. - An der übrigen Front wegen noch anhaltender schlechter Witterung geringe Gefechtstätigkeit. - Mittags sagt mir General, in Wien (das heißt bei Kaiser, Bolfras, Burián) große Angst wegen der I-Sache. Man fürchtet für die galizische, Balkan- und Isonzofront. Diese Furcht verwandelt sich in eine diplomatische Untätigkeit. General bemerkt dazu richtig, dass dies für die Unentschlossenheit und Untätigkeit unserer „Maßgebenden“ charakteristisch sei; zuerst helle Freude, dass etwas geschehe, dann aber, wenn das Risiko beginnt, Angst und Verantwortungsscheu. Chef hat alle beruhigt. - Nachmittag Besuch von Höfer (Exzellenz) und Oberst Mor. Ersterer erzählt einiges über die neuen Geschütze, letzterer seine Eindrücke über die Deutschen. Er meint, im Ausland werde man erst Patriot; es sei da lange nicht alles so glänzend, wie man es sich hier vorstelle. Geschimpft werde mehr als bei uns, auch über den deutschen Kaiser, speziell seit der Verabschiedung Tirpitz', der allgemein sehr beliebt sei. Mor glaubt noch an eine lange Kriegsdauer; er hörte übrigens draußen mehrfach die Ansicht, man hätte zuerst Italien angreifen sollen, denn in Frankreich geht es - auch nach seiner Ansicht - nicht weiter.

Abends: In Südtirol feindlicherseits planmäßige Fliegeraufklärung im ganzen Raum zwischen Judicarien und Kreuzspitz. Dies die wesentliche Nachricht von heute. Alles klappt. Im Angriffsraum 43 4/2 = 45 schwere Batterien (bis heute früh); werden nun - da das Wetter sonnig und warm ist - täglich weitere 5 hinauf gebracht, so kann die Artillerie bis 5. April oben sein. Allerdings ist es noch eine Frage, ob die Schneedecke so rasch abschmilzt, dass die Infanterie auch angreifen kann.

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