Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
22.04.1916
Wählen Sie aus:
Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
22.4.1916

Auch heute komme ich erst abends zum Schreiben in dieses Büchlein. Was alles wird es wohl noch enthalten? Wenn man in die Zukunft sehen könnte, die doch immer ganz anders kommt, als man sie erwartet! Hätte ich es etwa vor einem, vor 2 Monaten für möglich gehalten, dass es heute noch nicht losgegangen sein könnte? - Also: Der für heute in Aussicht gestellte Bericht der 11. Armee kam nicht. Vielleicht sind die schlechten Zugsverbindungen daran schuld. - Vielleicht; jedenfalls teilen wir dies dem Heeresgruppenkommando mit und sagen ihm bei der Gelegenheit auch, es solle über den Einfluss des Regens auf die Schneeverhältnisse im Angriffsraum berichten. Ich bin fest entschlossen, auf früheren Angriffsbeginn hinzuarbeiten; und zwar sollen die Truppenbewegungen gleich nach Ostern, das ist am 25. 4. anfangen. Dann kann der Angriff am 28.4. losgehen. - Photographien vom Angriffsraum zeigen keinen besonders hohen Schnee. Der abverlangte Bericht über die Schneeverhältnisse am Col di Lana ist natürlich darauf zugestutzt, die dortigen Verhältnisse wesentlich günstiger als jene im Angriffsraum erscheinen zu lassen. Kurz, auf gut deutsch gesagt: Schwindel über Schwindel. Dies wäre auch eine Kapitelaufschrift für ein Werk über die Psychologie des Krieges. - Nach Meldungen nicht viel Neues. Vormittags: Lauter kleinere feindliche Unternehmungen abgewiesen. (Bei Grotta Dazi an Riva Front, westlich Serrada, gegen Siefsattel, bei Monfalcone). Im Angriffsabschnitt und bei Riva Regen, auch auf den Höhen. Das ist wichtig; vielleicht die Erlösung. - Abends eine sehr wichtige Meldung über den Feind. Vom XIV.Korps, das wir lange suchten, und das eher am Transport an die Tiroler Front zu vermuten war, hat eine Brigade eine andere des II. Korps am Sabotino abgelöst. Das ist gut. Nach Beobachtungen an der Front der 11. Armee über Verstärkungsarbeiten, nach Gefangenenaussagen und nach einem erbeuteten Befehl des italienischen 15. ITD - Kommandos (Sugana) besteht kein Zweifel, dass die Italiener unseren Angriff erwarten.

Abends: Der abverlangte Bericht ist nicht gekommen; offenbar wurde der Kurier irgendwie aufgehalten. Immerhin wird dies dem HGK. mitgeteilt und dazu bemerkt, dass in der morgigen Vormittagsmeldung auch über den Einfluss des Regens auf die Schneeverhältnisse im Angriffsraum zu berichten sein wird. Abendresümee: Im Angriffsraum, schwere Batterie zugewachsen. (Summe: 78 schwere, 107 leichte = 185 Batterien). Gefechtstätigkeit verringert. Dies auch an übrigen Tiroler und Kärntner Fronten. - Bei 5. Armee lebhaftere Tätigkeit am Plateau von Doberdó, wo sich nachmittags ein feindlicher Angriff gegen den Raum zwischen Selz und Vermegliano auszusprechen begann.

Feind: Brigade Bari (XIV) hat am Sabotino die Brigade Lombardia (II.) abgelöst. Es dürfte sich um die gewöhnliche Ablösung handeln; daher ist mit dem XIV. Korps an der Tiroler Front kaum zu rechnen. Aus den an der Front der 11. Armee festgestellten Befestigungsarbeiten, aus Gefangenen Aussagen und aus einem erbeuteten Befehl des feindlichen 15.ITD. Kommandos (Suganafront) geht hervor, dass die Italiener unseren Angriff erwarten. Beim Abendrapport fragt mich General, welche Mittel zur Täuschung des Feindes noch möglich wären. Ich habe über diese Sache auch nachgedacht und meine, es bliebe noch übrig: Feuerüberfall an ganzer Front der 5. und 10. Armee, vielleicht nachts, zu bestimmter Stunde, sobald günstiges Wetter eintritt; Marsch von Marschformationen, vielleicht auch Eisenbahntransporte. Endlich eine lancierte Nachricht, dass Vaja Aufträge von unserem Generalstab habe, der sich nun wegen der an den Verrat geknüpften Hinterlandsgerüchten in einer schwierigen Lage befindet. Diese Sache wird durch den Attaché Bern morgen früh gemacht werden.

X
Tablet drehen