Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
25.04.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
25.4.1916

Wieder wird eine falsche Nachricht in ausländischen Zeitungen (wahrscheinlich Schweden oder Rumänien) lanciert, die den Bluff in etwas anderer Form bringen und den unzweifelhaften Eindruck unserer in den „Basler Nachrichten“ gebrachten Nachricht (siehe Corriere della Sera vom 19.4.) verstärken soll. Diesmal drehe ich den Spieß um und sage etwa, dass die italienischen Blätter in letzteren Nachrichten über Konzentrierung starker österreichischer Kräfte mit viel Artillerie in Südtirol brachten und von wirksamen Gegenmaßnahmen der italienischen Heeresleitung sprechen. „Tatsächlich wurden österreichischerseits einzelne Verbände und auch schwere Geschütze nach Tirol verschoben, da der Verteidigung des Hochgebirges angesichts der herannahenden besseren Jahreszeit umso mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden musste, als den Österreichern die Aufstellung neuer Verbände und gewisse Verschiebungen auf italienischer Seite nicht entgehen konnten. Die österreichischen Vorsichtsmaßnahmen haben nun, so scheint es, mehr erreicht als erhofft werden konnte: Die Mitte April beabsichtigte italienische Offensive ist ausgeblieben. Zur Hilfe für die bei Verdun bedrängten Verbündeten hat Cadorna nicht einen Mann aufgebracht. Ansehnliche Kräfte des italienischen Heeres sind nun in den Tiroler Bergen festgelegt und werden bald anderswo fehlen. Man darf der weiteren Entwickelung mit großem Interesse entgegensehen.“ - Mittagsresümee: In Tirol lebte die Artillerietätigkeit infolge zunehmender Ausheiterung in mehreren Frontabschnitten wieder auf. Im Sugana Abschnitt war sie beiderseits recht lebhaft. Am Col di Lana musste unser Artilleriefeuer nachmittags wegen unsichtigen Wetters eingestellt werden; der Feind feuerte zeitweise aus allen Kalibern sehr heftig gegen Monte Sief, Siefsattel und unsere neue Hangstellung (wsw. Monte Sief). - Im Küstenland sehr lebhaftes Feuer gegen den Abschnitt Zagora. Nordwestlich S.Martino drangen Abteilungen des I.R.61 mit besonderen Kampfmitteln in die feindlichen Stellungen ein, um die Minenwerfer unschädlich zu machen und Sprengungen vorzunehmen. - Der Wetterbericht der Heeresgruppe lautet „Im Abschnitt der 11. Armee teilweise bewölkt, an der übrigen Front trüb, zeitweise Schneefall; an der Dolomiten Front Tauwetter (p.d. für den Feind), Aufheiterung macht weitere Fortschritte. (Dabei sagte mir der Hughesbeamte in Trient um 9 Uhr Vormittag: „ Sehr schönes Wetter, sehr warm! „ - Also selbst die Wetterberichte werden gefärbt! – Abends: Auf den Hochflächen befinden sich nunmehr 9517 t Munition und 149 Divisionstage Verpflegung. - Die Artillerietätigkeit war heute im Etschtal und auf den Hochflächen beiderseits lebhafter; mehrere unserer Werke standen unter feindlichem Feuer. Im Suganer Abschnitt räumte der Feind seine Stellung bei Votto und zog sich gegen Roncegno zurück. Unsere Truppen besetzten die geräumten Punkte und bauen sie aus; Patrouillen sind an den Larganza-Bach vorgeschoben. Am Col di Lana stand die Spitze unter eigenem Mörserfeuer, während der Feind den Gratstützpunkt und unsere neue Hauptstellung lebhaft beschoss. Nördlich des Bahnhofes von Innichen fielen 5 schwere Granaten, vermutlich aus der Richtung Misurina ein, ohne Schaden anzurichten. - Bei der 5. Armee mäßiges Artilleriefeuer an der ganzen Front, besonders gegen den Nordteil des Doberdó Plateaus. Östlich Selz Minenwerferangriffe. Dort befinden sich tatsächlich 250 Schritt unserer Gräben im Besitz des Feindes; auch die übrigen Angaben des italienischen Presseberichtes vom 23.4. dürften im Großen und Ganzen stimmen (circa 130 Vermisste, 2 MG, 1 Flammenwerfer). - 5. Armeekommando hat im Abschnitt III den Wechsel zwischen der 61. und 106. ITD verfügt, da sich bei den im Abschnitt von Selz stehenden Truppen der ersteren, besonders beim k.u.Lst.I.R.17, wo es an guten Offizieren fehlt, bedenkliche Zeichen minderen Geistes gezeigt haben. Das AOK erklärt sich mit dieser Maßnahme einverstanden, die nun durch die zugewiesenen Verstärkungen (24.G.Brig., 1 Baon. des III.Korps, eines aus Peterwardein) wesentlich erleichtert sein dürfte. Der gute Geist des Bataillons muss mit allen Mitteln, selbst auf Kosten der erwünschten Bereitstellungen wieder hergestellt werden. - Das Wetter ist gut: Zum ersten Male meldet selbst das Heeresgruppenkommando Tauwetter. - Italienische Zeitungen enthalten ziemlich zutreffende Angaben über unsere Truppenstärke im Angriffsabschnitt; mit Schuld daran ist, dass man die neuen Divisionen so frühzeitig in vorderer Linie gezeigt hat. - Nach Gefangenenaussage soll sich eine Brigade des XIV. Korps an der Tiroler Front befinden. Die Nachrichten über Minenangriffe gegen unsere Stellungen (San Michele, östlich Monfalcone, Monte Sabotino) mehren sich. Der Ausbau der rückwärtigen Stellungen wird seitens der Italiener fieberhaft betrieben. Unter den Soldaten spricht man von der Mitte Mai bevorstehenden italienischen Offensive.

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