Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
28.04.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
28.4.1916

Hatte auf heute Inspektion und ersehe aus den Meldungen, dass ein russischer Angriff bei Dünaburg bevorsteht, der übrigens von den Deutschen erwartet wird und daher gleich den früheren keine Aussichten hat. Gestern las ich einen Bericht Klepsch's über Verdun, der sehr pessimistisch klingt. Die deutschen Truppen der vorderen Linien, die nicht abgelöst werden können, seien schon äußerst müde, die feindliche Artilleriewirkung ist furchtbar u.s.w. u.s.w. Möchte aber nicht zu viel darauf geben; er weiß, in was für ein Horn er blasen muss.

Mittagsresümee: Im Suganer Abschnitt alarmierten unsere Patrouillen nachts den Feind in Roncegno. Der Angriff 4 feindlicher Kompagnien auf unsere vorgeschobene Stellung bei Malga Baesa (im Calamentotal) wurde abgewiesen. An der Dolomiten Front bereitet der Feind anscheinend eine Unternehmung gegen den Raum Tresassi Monte Sief vor. - Wetter: Im Angriffsabschnitt nachts Gewitter und Regen, kein Schneefall. Die Schneehöhen sind im Gebiet nördlich des Suganer Tales sehr stark zurückgegangen, sodass sie nun dort geringer sind, als auf dem Plateau von Folgaria, wo sie noch immer 1 m und mehr betragen. Auf dem Plateau von Lavarone ist im Allgemeinen nur mehr wenig Schnee.

In Basso sind Küstengeschütze eingetroffen, die in den Suganer Abschnitt gebracht werden dürften. - Mir fällt auf, dass im Gebiet nördlich der Sugana so lächerlich geringe Schneehöhen gemeldet werden. Collo vorgestern noch 200, heute 15! Auch sonst: Panarotta, Frawort, Weitjoch 80 cm; dagegen auf Folgaria noch 110 130! - Mittags gibt mir Metzger die Antwort Krauss‘ auf das Schreiben des Chefs. Darin wird sehr geschickt der Erzherzog vorgeschoben; im Übrigen enthält die Antwort mehrere ganz unhaltbare „Thesen“. Werde eine übersichtliche Zusammenstellung des Herganges der ganzen Geschichte vom Angriffsbeginn machen! - Mittags fotographiert ein Offizier des geographischen Institutes die Operationsabteilung mit dem Erzherzog Feldmarschall und Conrad, welch letzterer dabei die treffende Bemerkung machte (da wir alle um eine Karte gruppiert aufgenommen werden): „So wird die Geschichte beschwindelt“.

Die Rechtfertigung (zugleich Anklage) Krauss' werde ich nachtragen, sobald der Akt, der abends zum Chef ging, zurückkommt. An sonstigen interessanten Ereignissen und Nachrichten sei festgehalten: Der Offizier, der östlich Rovereto zum Feind desertierte, ist ein Tscheche, der bereits als „verwässerter Tscheche“ mit hochverräterischen Ideen geschildert war, natürlich sagt man jetzt, er sei nur über die Kräfte im engeren Bereiche der 6.GBrig, ferner über einzelne Artilleriestellungen orientiert gewesen, die nun gewechselt werden. Wer es glaubt, dass ein Offizier der zum Feind will, nicht mehr weiß, wer es glaubt, wird selig. Die 21.GBrig. wurde in den Subrayon 5 (Goiginger) verschoben. Hiedurch soll es dem LVK, das über keine nennenswerte Reserve verfügt, ermöglicht werden, im Falle längerer Dauer der Kämpfe im Col di Lana-Raum für zeitgerechte Ablösung und Erhaltung der Kampfkraft seiner Truppe vorzusorgen. - Die Detailberichte über die Ereignisse in diesem Raum zeigen, dass unsere Truppen dort wieder brav gestorben sind, dass es jedoch ganz an Voraussicht der höheren Führung gefehlt hat. Sogar Munitionsmangel konnte eintreten. - Was hilft es, wenn man jetzt 1 ½ schwere und 2 andere Batterien zuschob! - Wichtiges aus dem Abendresümee: Auf den Hochflächen wegen dichten Nebels geringe Gefechtstätigkeit. Nach leichtem Schneefall seit mittags wieder Ausheiterung. Im Großen und Ganzen ist das Wetter noch immer sehr veränderlich (in Bozen und Trient übrigens nachmittags sehr warm!). - Gegen den Col di Lana-Abschnitt scheint der Feind, wie schon gestern erwähnt, eine neue größere Unternehmung vorzubereiten. Die Beschießung der Bahnhöfe und ihrer Umgebung von Sillian und Innichen wird unangenehm empfunden; Truppentransporte und heikle Materialtransporte können nur nachts passieren. - Feind: Der Geniekommandant in Arsie forderte, dringend, aber mindestens auf 2 monatliche Dauer berechnete Arbeiten im Suganer und Cismon-Tal Zivilarbeiter an. Die Italiener schenken somit auch letzterer Richtung Aufmerksamkeit. - Die Cadornaberichte der letzten Zeit gefallen sich ganz besonders in Erfindung größerer Verluste, schreckhafter Explosionen u.s.w. Daher wird morgen in der Presse gesagt werden „Die Erfindungen in den italienischen Presseberichten der letzten Zeit übersteigen alles bisher Dagewesene und lassen namentlich in der Darstellung angeblicher Verluste unserer Truppen die Absicht deutlich erkennen, auf die Leser in der Monarchie zu wirken, denen die Berichte der feindlichen Generalstäbe abweichend vom Gebrauch in den Ländern des Vierverbandes in dem ruhigen Bewusstsein nicht vorenthalten werden, dass unsere Öffentlichkeit jene Berichte zu lesen und Wahrheit von Lüge zu unterscheiden versteht.“

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