Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
30.04.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
30.4.1916

Mittagsresümee: Tirol: Unsere Mandron-Stellungen unter Feuer der Prepazzene-Artillerie. Seit Tagesanbruch ist im Adamellogebiet der feindliche Angriff auf den Topete - und Folgaridapass im Gange. - über den Hochflächen lebhafte Fliegertätigkeit. Im Übrigen in allen Abschnitten nur mäßiges Geschützfeuer. Eigener Fliegerangriff gegen feindliche Barackenlager bei Villa Vicentina. - Nach Meldungen Schneehöhen im Angriffsraum auf dem Plateau von Folgaria nur um einige cm zurückgegangen, noch immer 1 m und darüber. Auf dem Plateau von Lavarone Schnee mit 5 - 40 cm Durchschnittshöhe. Biaena und Finocchio 50 - 70, Höhen und Pässe nördlich des Suganer Tales 80 - 150 cm Schnee. Die Italiener scheinen nun die an unsere Angriffsfront herangebrachten Kräfte näher an die Verteidigungslinie vorzuschieben. Nach Kundschafternachrichten soll im Val Leopa-Abschnitt eine weitere neue Brigade, bei Tonezza sollen 5 schwerste Geschütze eingetroffen sein. - Das Heeresgruppenkommando rührt sich nicht. Ich beabsichtige daher zu sagen „Nunmehr ist auch der nach Bericht (vom 21.April) des Heeresgruppenkommandos vom 11 AK. in Aussicht genommene Zeitpunkt für den Angriffsbeginn wieder so nahe herangekommen, dass die Truppenbewegungen beginnen müssten, wenn er eingehalten werden soll. Da hierüber bisher keine Meldung einlangte, das AOK aber eine ununterbrochene, gründliche Orientierung über die Absichten für die nächste Zukunft aus gewichtigen Gründen jederzeit fordern muss, hat das 11. AK. im Wege des Heeresgruppenkommandos am 1.Mai telegraphisch zu melden, ob es jenen Zeitpunkt einzuhalten gedenkt.“ Metzger verschiebt die Sache von mittags auf abends und sagt mir abends, der Chef würde das heute nicht unterschreiben, da erst heute seine Antwort an Krauss abgegangen ist, worin er das Überlassen des Zeitpunktes betont und weil überdies wieder eine Wendung zum Schlechten im Wetter wahr zu nehmen sei. Nachmittags ruft mich Kless auf, der es zwar sehr eilig hat, mir aber doch sehr wertvolle Anhaltspunkte über die tatsächlichen Schneeverhältnisse im Angriffsraum gibt. Kless sagt deutlich. - Der Finocchio kann als schneefrei bezeichnet werden, da keine zusammenhängende Schneeschichte besteht; in einzelnen Löchern mag noch 60 cm Schnee sein. (!). Suganertal südlich Collo vollkommen schneefrei. Fortkommen der Infanterie auch auf dem Plateau von Folgaria mit diesem Aufwand an Feuer durch die Artillerie auf dem tragfähigen Schnee gewiss möglich. Ich fragte noch, ob der Schnee denn jetzt, wenigstens nachts und früh tragfähig ist? „ Ja, fast überall.“ - Kless sagte mir überdies, dass es ihm schon schwieriger sei, mit mir zu sprechen; er habe schon verschiedene Bemerkungen hören müssen. Ich lasse auch keinen Zweifel über meine Ansicht, die in dem auch hier schon offen ausgesprochenen Satz gipfelt „Wenn Hannibal und Napoleon mit ihren Stecken die Schneehöhen gemessen hätten, wären sie nie über die Alpen gekommen. Während wir so über diesen Punkt herumschreiben, debattieren und telegraphieren, beginnen die Italiener den Krieg ins Hochgebirge zu tragen. Ihre Angriffe im Adamellogebiet wurden übrigens bisher abgewiesen. Man erwartet jetzt auch ihr Vorgehen gegen die Pässe südlich des Carè alto. Am Ostrand des Marmolatamassivs nahmen sie vormittags die Serantastellung, die ganz merkwürdig weit vorgeschoben ist; unsererseits 60 Mann Verwundete und Vermisste, 1 MG. verloren. Am Col die Lana herum neue feindliche Batterien. An der Angriffsfront ziemliche Ruhe (Nebel). Im Suganatal ist ein neues feindliches Korpskommando zu vermuten (Glt. Etna), dessen Befehlsbereich sich über das Pertamor, das Suganertal und die Hochfläche von Lavarone erstrecken dürfte. - Abends kommt ein ganz merkwürdiger Bericht eines Hauptmannes, Kommandanten des X.MB/ 59, über eine Übung am Bondone. - Sichtlich bestellte Sache, um die Schwierigkeiten der Schneeverhältnisse „aus der Truppe heraus zu zeigen“. Nach dem eingetretenen Föhnwetter trage die Schneedecke überhaupt nicht mehr; die Sprünge (!) könnten nicht größer als 25 – 30 Schritt gemacht werden, für 2000 Schritt brauchte man 3 Stunden; die Leute seien ganz ausgepumpt, der Nachschub von Munition und Verpflegung nur mit größtem Kraftaufwand möglich, das Zurückschaffen von Verwundeten während des Gefechtes beinahe ganz ausgeschlossen, Tragtiere sinken bei einer Schneedecke von 50 cm bis zum Bauche ein (diese Tiere müssten erst geboren werden!) u.s.w. Dazu ein Zusatz vom 25.4. „Der Schnee ist aber dermalen in einem derartigen Zustand, dass, wenn dieses Wetter anhält, derselbe innerhalb der nächsten Tage soweit abgetaut sein dürfte, dass derselbe für einen Angriff kein besonderes Hindernis mehr bilden dürfte; also so gegen Mitte Mai.“ Das 11. AK. bemerkt zu diesem Bericht: „Das Bataillon hat lange im Hochgebirge gestanden, sei daher mit dem Kampfe im Schnee sehr vertraut, bestehe aus besonders kräftigen Leuten; daher müsse angenommen werden, dass andere weniger gebirgs- und schneegewohnte Truppen weit geringere Leistungen aufweisen würden.“ - Ich bin mir nicht im Zweifel, was darauf zu sagen ist.

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