Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
03.06.1916
Wählen Sie aus:
Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
3.6.1916

Der Chef des russischen Generalstabes hat den Italienern auf ihr Ansuchen um Unterstützung etwa folgendermaßen geantwortet: „Was geschehen kann, wird das Kabinett (!) tun. Vorerst aber muss folgendes durchgeführt werden: 1) Einholung von Informationen über die Truppen beim Kommandant der Südwest-Front. (Abverlangt, aber noch nicht eingetroffen!) 2) Einholung der Genehmigung des Zaren, der gegenwärtig in Südrussland auf Reisen. Offensive kann nicht unmittelbar einsetzen; Vorbereitungen brauchen Zeit.“ - Der italienische Oberst hat selbst bei Sasonow eine unverzügliche Offensive angeregt und hiefür geltend gemacht: 1) Die in Paris übernommene Verpflichtung, 2) Gefahr, dass Italien sonst zur allgemeinen Offensive nicht mehr wirksam beitragen könnte. 3) Günstiger Ausblick für russische Offensive an der österreichischen Front. 4) Schwankende Situation in Rumänien. 5) Strategischer und moralischer Wert der Gleichzeitigkeit der Offensive der Alliierten gegenüber dem Feind. Sasonow stimmt bei, ließ sich aber auf technische Seite der Frage nicht ein. Dagegen erwähnt er neuerdings den ungünstigen Eindruck der Unterlassung einer Kriegserklärung Italiens an Deutschland (bei den Neutralen, Rumänien inbegriffen). - Dieses Telegramm ist aus Petersburg vom 25.5. datiert. - Die Standesmeldungen vom 15.5. zeigen folgende interessante Ziffern: Nordostfront 636.000, Südwestfront 419.000, Südostfront 58.000 Gewehre (Offiziere nicht eingerechnet, ebenso auch deutsche Truppen nicht mitgezählt). Besonders stark ist die 7. Armee; die haben allein 225.000 Gewehre!! - Das übrige schreibe ich abends. Wie gewöhnlich todmüde; es wird jetzt, in der Junihitze schwerer denn je „durchzuhalten". - Heute meldet das Heeresgruppenkommando, das 11.AK. habe sich gestern entschlossen, seine Absicht, die Coni Zugna-Angriffe aufzugeben, durchzuführen. Die LSch.Div. soll vorläufig die jetzigen Stellungen in der Vallarsa halten; 48. wird durch die der 11. Armee zur Verfügung gestellte Landsturmtruppe (3 Baone + 28.Lst.GBrig.) abgelöst und sammelt sich als Armeereserve im Raum Piazza - Rovereto. Das Kommando des Abschnittes Biaena bis einschließlich Zugna Torta (28.Lst.GBrig., 3 Lst., kombinierte Marsch Baone. und Standschützen) übernimmt Fmlt. Guseck. Chef fragt mich abends, wann denn endlich der Zugna Rücken genommen sein wird, worauf ich ganz aufrichtig sage: Das ist jetzt ganz unmöglich, hierauf meint Chef, es hat da am nötigen Schwung bei der 11. Armee gefehlt; die Verluste der Landesschützen seien auch nicht so, dass man schon aufhören müsse; in den Karpaten hätten wir ganz andere Verluste erlitten. Überhaupt, meint er, fehlt es an dem Einfluss und der Einheitlichkeit der Führung. Darin kann ich nur beipflichten. Das AOK hat es auch an deutlichen Mahnungen nicht fehlen lassen. Gegenwärtig mangelt anscheinend besonders der Einklang in den inneren Armeeflügeln (XX. und I. Korps). Ich rate aber Metzger, mit einem Eingreifen doch noch bis morgen zu warten. - Mein Gesamteindruck nach den heutigen Meldungen ist: XXI. und VIII. können nicht weiter. Der Feind bringt sogar in den Räumen dieser beiden Korps immer mehr Geschütze in den Kampf. Also vorerst einstellen und nicht weiter boxen! Bei XX. stockt der Angriff auf den Cogolorücken; die 8.ITD richtete sich in den gewonnenen Stellungen ein. Die 3. scheint sogar „eine aufs Dach bekommen zu haben"; in unserer Sprache heißt das, der Angriff „ist nicht durchgedrungen". Die Talgruppe ist, wo sie war. - Flankierende Kavernenbatterie am CenCiohang, die unseren Truppen schwere Verluste beibrachte, wurde heute durch eine Gebirgsbatterie am Priaforà zum Schweigen gebracht. 44. zieht sich immer mehr auf den CenCio; Gott sei Dank. Heute wurde auch der stark besetzte und zäh verteidigte Rücken südöstlich CenCio genommen: 40 Gefangene, - 15cm Haubitzen, 1 MG. erbeutet. 34. des I. Korps ist im Angriff auf die Höhen südlich Cesuna, von der Artillerie des III. Korps unterstützt, soweit es die - leider meist schlechte Sicht gestattet. Sonst über das III. Korps keine näheren Nachrichten; 28. scheint den Angriff noch nicht begonnen zu haben. - Im Großen und Ganzen habe ich folgende Auffassung: Die Kräfte, die über das Posina- und Assatal gegangen sind, haben den Angriff zu früh, das heißt ohne genügend mächtige Artillerieunterstützung, also „mit Gasdampf" begonnen. Nun stockt das Ganze; und zwar umso mehr, als uns das Wetter Possen spielt und eine Artillerieunterstützung der gewiss schwierigen Angriffe häufig unmöglich macht. Die Lage am Westflügel ist ganz verschustert. Echt Dankl! Man wird nun gezwungen sein, den Piano delle Zug. von rückwärts zu nehmen; übrigens eine sehr gute (Lösung, wenn nur nicht auch das VIII. Korps ganz stecken bleibt. Kövess operiert gut und ruhig; ich hoffe daher, dass es eher gelingen wird, die Suganer Bahn zu öffnen, als die Fugazzestrasse. Natürlich geht nichts so rasch, als man es sich erhofft; wir dürfen nicht vergessen, dass wir - auch Dankl zu verdanken - 1 Monat Zeit verloren haben! - Hauptsache bleibt jedoch, dass wir die Schlacht, denn eine solche ist jetzt zwischen Bettale und der Grenze östlich Mandrielle im Gange, gewinnen und da möglichst viel feindliche Kräfte unterkriegen; das Andere kommt von selbst. Ich habe noch immer keine Sorge um Flügel und Flanke, wenn nur das feindliche Heer ordentlich zerzaust und durcheinandergebracht ist!

X
Tablet drehen