Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
10.06.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
10.6.1916

Früh schon fürchterliche Panikstimmung. Christophori meint beim Frühstück, nun müsse der Rückzug für die ganze Front befohlen werden. Er hätte das schon gestern getan. Was ist denn geschehen, frage ich, das XIII. Korps auch „durchbrochen"… - Nicht mehr auszuhalten ist es mit allen diesen Menschen, die nichts als jammern, statt etwas zu tun! - In die Kanzlei kommen Paić und Kageneck. Mit letzterem, der die Hosen ganz, aber schon ganz voll hat, wieder eine erregte Debatte. Er bezieht seine Angst von Jacobich, der schon längst hinaus gehört wegen der Verbreitung der Panikstimmung und sonstiger schlechten Einflüsse. Na, einen Tag sollte ich die Gewalt haben. Auch ohne dass ich sie habe, warte ich nur auf den Augenblick, um einmal dreinzufahreu und in dieser sogenannten Jugend, die aber an kriegspsychologischen Marasmus leidet, gründlich aufzuräumen. - Mittags beim Rapport eröffnet mir Metzger, die Lage hier oben entwickle sich derart, dass die Einstellung unserer Offensive gegen Italien und die Abgabe von Kräften und schwerer Artillerie unbedingt notwendig sei. Auf meine dringende Vorstellung, wenigstens vor dem Beginn des Angriffes nichts zu befehlen, billigt er mir zu, dass der heute abends zu unterfertigende Befehl schriftlich mit nächstem Kurier abzugehen hat; er ist dann am 12. nachmittags) in Bozen. Der Angriff kann noch durchgeführt werden, was, wie ich gleich hervorhebe, 3 - 4 Tage dauern dürfte; sodann müssen sobald als möglich, für den russischen Kriegsschauplatz brauchbare Divisionen und 8 - 15cm Batterien, dann als Kompensation für die zu Linsingen gesandten deutschen Kräfte etwa 4 schwerste Mörserbatterien abgegeben werden. Welches Ziel sich die Heeresgruppe nach diesen Abgaben stecken kann, hängt von dem Erfolg des Angriffes ab. - Ich entwerfe diesen Befehl, hoffe aber noch immer, ihn hintanhalten und mit meinen kleinen Reserven aushelfen zu können. Unsere Armeen sind ja so brav: Die 5. stellt 4, die 10. 3 Bataillone zur Verfügung. Diese Truppen können natürlich weit schneller zur Hand sein, als weitere Verstärkungen von der Heeresgruppe. - An unserer Front, wie zu erwarten, nach den Vormittagsmeldungen nichts Besonderes. - Bei der 11. Armee feindliche Vorstöße an mehreren Stellen abgeschlagen. Unsererseits sehr geringe Verluste. Die Meldung macht einen guten, soliden Eindruck. Beim I. Korps ist ein Teil der schweren Artillerie bereits über die Assaschlucht. -

5 Uhr nachm. Ich höre, dass die 7. Armee den Rückzug befohlen hat. Czernowitz dürfte aufgegeben werden müssen. Ein Teil der Armee soll Stanislau - Kolomea, eine Gruppe die Bukowina decken.

Nach 5 Uhr referiere ich Metzger über meinen Plan einer neuen Fassung des Befehles an das Heeresgruppenkommando: Im Grunde genommen werfe ich noch die nächste (48.) ITD in den Rachen der Nordostfront, stopfe damit die Bahn im Auslauf von Trient bis etwa 19.6., gebe überdies die bereitgestellten kleinen Reserven aus Kärnten und von der 5. Armee, zusammen 7 Bataillone. - Und erreiche damit, dass die zum Angriff bereitgestellten verwendet und nicht direkt berührt werden und dass der Angriff auslaufen kann. - Metzger stimmt nach längerer Besprechung meiner Absicht und abends auch dem Konzept zu. Sehr unterstützt hat mich dabei eine Depesche an Carlotti vom 7.Juni, worin zwar die allgemeine Lage als zufriedenstellend bezeichnet wird, aber doch eine ernste Sorge durchklingt. Besonders wertvoll für uns ist es, dass die Situation in dem engen Abschnitt im Astachtal als ernst beurteilt werden kann. - Nun hier werden die Italiener übermorgen ja etwas erleben! Bezeichnend ist auch der Schluss der Depesche: „Die Nachricht über die glückliche Einleitung der russischen Offensive bringt die beste Wirkung hervor und man hofft, dass die vereinigten Anstrengungen der Armeen Cadornas und Brussilows endlich die starken … Offensivstöße verhindern werden, deren erfolgreiche Durchführung dem Feind bis jetzt möglich war." Also nur an eine Verhinderung unserer Offensivstöße, nicht an ein positives Ziel wird gedacht. - Der Morgen hinausgehende Befehl hat folgende Fassung: „Nach Einvernehmen mit Deutscher Oberster Heeresleitung ist es nötig, unsere in Ostgalizien kämpfenden Truppen durch weitere Verstärkungen mit schwerer Artillerie zu stützen. Diese Kräfte müssen der Hauptsache nach der Heeresgruppe entnommen werden. Um die im engeren Angriffsraum bereitgestellten Armeekörper unberührt zu lassen und das Auslaufen des vorbereiteten, einen neuen großen Erfolg versprechenden Angriffes zu ermöglichen, dann weil die sonstigen noch geschlossenen Reserven nach ihrer nationalen Zusammensetzung für den russischen Kriegsschauplatz nicht in Betracht kommen, ist die 48.ITD zur Verfügung des AOKs, gegenüber den unterstehenden Kommandos aber zur Verfügung des HGKdos zu stellen und derart an die Bahn zu ziehen, dass sie im Abtransport an die 61. ITD anschließen kann. Für die Abgabe schwerer Artillerie werden Befehle, sobald als nötig, folgen. Nach der jetzigen Gesamtlage dürfte eine Beschränkung der Ziele unserer Offensive gegen Italien kaum zu umgehen sein. Vom Ergebnis des Angriffes wird es dann abhängen, in welchem Abschnitt der erstrittene Raum dauernd festzuhalten ist. Im Zentrum der Heeresgruppe wären hiefür die den Austritt in die Ebene beherrschenden Höhen beiderseits des Asticotales erwünscht."

In den Abendmeldungen nichts Wesentliches; am M.Lemerle wurde mit den Italienern, die sich noch am Südrand des Gipfelplateaus gehalten hatten, durch einen Überfall aufgeräumt. Hiebei gegen 50 Gefangene.

Übersicht der Stärke Verhältnisse in runden Zahlen von Bataillonen:

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