Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
13.06.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
13.6.1916

Gestern ließ mir Krauss noch folgende Information über die dortige Beurteilung der Lage mitteilen: HGK. hält es weder für notwendig noch für wünschenswert, der ins Auge gefassten Beschränkung der Ziele der Offensive gegen Italien durch Änderung der den Armeen gestellten Aufgabe Rechnung zu tragen. Entsprechend den verringerten Kräften wird sich vielleicht ein langsameres Tempo ergeben; doch hält HGK. an dem nächsten Ziele fest, die feindliche Kampffront zu durchbrechen und den Angriff bis in die Ebene vorwärts zu tragen. Viele schöne Worte; die Tat hängt aber ganz von der weiteren Entwicklung hier oben und wohl auch von der leider zumeist imaginären Energie unserer höheren Kommandanten drunten ab.

Marterer ist heute um 6 Uhr früh hier angekommen, war längere Zeit beim Chef; der Zweck seines Besuches soll aber nur Orientierung sein.

Heute am südwestlichen Kriegsschauplatz eigentlich den ganzen Tag wenig Neues: Und dass trotzdem schönes Sichtwetter eintrat. Bis abends haben wir nur die Meldung über die Vormittagssituation: Nach Artillerievorbereitung griffen 2 Kaiserjägerbataillone den M.Ciove an und drangen bis auf 30 Schritt an die feindlichen Stellungen heran, wo sich Handgranatenkämpfe entwickelten. Ich kann mich ja täuschen, aber nach aller Kriegserfahrung ist das eine böse Sache: Der Verteidiger wirft und schießt aus seiner Deckung heraus und hat die besseren Mittel. Wo es die Artillerie nicht richtet, ist der Angriff meist verhaut… Die 3. Armee will mit dem I. Korps am 15. angreifen. Jedenfalls ist nicht mehr viel Zeit. Metzger sagte mir, der Chef hat schon vor mehreren Tagen seinen Eindruck geäußert, dass die Offensive im Versanden begriffen sei; und heute habe ich beinahe auch den Eindruck. Die Situationsmeldungen sind so farblos, dass diesbezüglich ein scharfer Befehl herauskommen muss, der die Kommandanten zur Fühlungnahme mit der Front u.s.w. auffordert.

Über die Lage am russischen Kriegsschauplatz bin ich wenig orientiert. Anscheinend steht die Regelung der Befehlsverhältnisse im Vordergrund. Kageneck sagte mir, der Falkenhayn'sche Vorschlag gehe dahin, dass Mackensen die ganze russische Front südlich von Hindenburg übernehmen solle; hier steht man dagegen auf dem Standpunkt, 3 Heeresgruppen: Linsingen, Böhm-Ermolli und Mackensen zu bilden. Der Angriff Linsingens ist für den 15. in Aussicht genommen.

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