Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
24.06.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
24.6.1916

Heute früh kommt die Meldung, dass der für den Rückzug angesetzte Termin, nämlich heute Abend, endgiltig sei.

Spreche ½ 9 Uhr, leider nur telefonisch, nach einem halben Jahr zum ersten Mal wieder mit Mietzchen; schmerzlich genug. - Dann mit Salis; frage ihn, ob eine Änderung im Beschluss des Zurückgehens überhaupt noch möglich wäre, und wie er die Verhältnisse für den dauernden Halt der jetzigen Linie beurteilt. Ersteres will er nicht unbedingt verneinen; das Letztere scheint ihm mit den jetzigen Kräften und nach Abgabe einer Division an den Isonzo unmöglich.

Chef und Metzger kommen gegen 11 Uhr von Berlin zurück. Wie ich von Kundmann und Slameczka erfahre, ist der wesentliche Inhalt der Besprechung folgender: Falkenhayn kann nichts mehr hergeben, da er die Offensive der Engländer erwartet. Die Offensive Linsingens soll gestoppt werden, sobald die Front hier ausgebügelt ist. Dann werden Linsingens Kräfte zur 7. Armee abgehen. Da weitere russische Kräfte von der Hindenburg - Front gegen uns verschoben werden, soll auch Hindenburg zur Abgabe von Verstärkungen angewiesen werden. - Die italienische Sache ist unbedingt einzustellen. Nochmals spreche ich mit Metzger darüber, der meint, man dürfe sich jetzt von Gefühlsmomenten nicht leiten lassen. - Heute wird der Rückzug dem Kaiser gemeldet. Interessant ist eine Aufstellung unserer gesamten Kräfte (die Metzger für die gestrige Besprechung machte):

In der Bukowina geht es andauernd schlecht. Die Brigade Papp ist ganz zerschlagen, dürfte voraussichtlich auch die Pozorittastellung nicht halten können. Russen drängen scharf nach, für Verteidigung der Pässe ist nicht vorgesorgt.

Bei uns nichts Neues. An einzelnen Stellen tasten feindliche Patrouillen und schwächere Abteilungen ab.

Falkenhayn sandte heute ein Telegramm, in welchem er das Ergebnis der gestrigen Besprechung niederlegte. Ich bekam es noch nicht zur Einsicht, hörte aber, dass sein wesentlicher Inhalt folgende Punkte betreffe: Es soll alles geschehen, um Führer und Truppe der 7. Armee wieder die nötige Zuversicht zu geben; hiezu namentlich Verstärkung an Artillerie. Aus Tirol sollen 2 weitere Divisionen herangebracht werden, um den Karpatenraum verlässlich zu behaupten. Das Angriffsziel Linsingens wird beschränkt werden, damit dieser Kräfte für den Stoß aus dem Raum der Südarmee abgeben kann. Die Aktion im Südwesten soll sich auf Wahrung der Lebensinteressen der Monarchie beschränken. Hindenburg hätte entsprechend den russischen Verschiebungen Verstärkungen zu senden. - Ich dränge darauf, dass ich solche Stücke zur Einsicht bekomme, da man nur dann entsprechend vordenken kann. Gegen mich bei der sogenannten „Jugend", die namentlich von dem durchaus negativen Geist (?) Jakobich geleitet und beeinflusst wird, scharfe Missstimmung, die sich auch im persönlichen Verhalten kundgibt. (Zum Beispiel ließ sich ein Bube verleiten, in einem Nachrichtenresümee die Bemerkung der Times zu unterstreichen, dass der italienische Feldzug ein Meisterstück an Dummheit sei. Ich ging darüber hinweg; weiß aber genau, was ich in Zukunft von gewissen Leuten zu halten habe.)

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